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Traumtrunken

Traumtrunken

Titel: Traumtrunken
Autoren: Kathrin Schachtschabel
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Michaela bekam Hunger und suchte die Packung Kekse, die irgendwo bei ihrer Küchenausrüstung liegen musste. Dann setzte sie sich auf die beige-karierte Liege im Wohnzimmer, die noch vom Vormieter stammte. Er wollte kein Geld dafür haben und Michaela hatte das Angebot dankend angenommen.
    Kauend starrte sie auf den Balkon. Sie war froh, dass sie jetzt endlich allein sein konnte. Dass dieser Atze weg war und sie in ihrer neuen Wohnung ihre Ruhe hatte.
    Hier würde sie ab sofort leben. Ohne Karina. Ohne Nathalie. Und ohne Flo.
    Eigentlich kein schlechtes Gefühl. Sie war ihr eigener Herr. Wenn sie nur nicht so viel Angst davor hätte.
    Hier gab es keinen, dem sie seine Sachen hinterherräumen, für den sie kochen musste. Die Abende würden lang werden.
    Michaela war es das eine oder andere Mal zu viel gewesen. Bis sie abends aufgeräumt hatten, war es meist schon neun Uhr und sie war nach der anstrengenden Arbeit in der Gärtnerei todmüde ins Bett gefallen.
    Vielleicht würde sie mehr Fernsehen schauen. Sie wusste es noch nicht. Jedenfalls musste sie irgendwann allein wohnen, das hatte sie sich an ihrem letzten Geburtstag geschworen.  
    Michaela seufzte erleichtert. Hier würde sie auch niemand mehr nachts beim Heimkommen aufwecken oder sich hinter ihrem Rücken über sie lustig machen.
    Sie stand auf, fegte mit den Händen die Krümel von ihrer Hose und öffnete die Balkontür.
    Kinderstimmendurcheinander drang herein, gemischt mit kühler, klarer Herbstluft.
    Die Bäume da draußen hatten nahezu alle ihr Laub verloren, nur ein paar Blätter hielten dem Wind stand. Michaela trat hinaus auf den kalten Beton und sah über die hohe Brüstung. Ein Klettergerüst aus Metall, an dem die Farbe blätterte und zwei Schaukeln, darunter Sand. Mehr gab es da unten nicht. Und eine Hand voll Kinder, die sich auf der Wiese mit Laub bewarfen.
    Michaela beugte sich weiter vor und sah nach rechts oben auf einen Balkon, auf dem nur ein Stück von einem gelben Sonnenschirm zu sehen war. Dort musste Atze wohnen. Atze Schuhberg. Diesen Namen hatte sie sich gleich gemerkt.
    Er hatte ihr angeboten, sie solle einfach bei ihm klingeln, wenn sie Hilfe brauchte. Am Wochenende war er meistens da.
    Sie hoffte, dass sie sein Angebot nicht in Anspruch nehmen musste. Sie fand ihn sehr neugierig, so etwas mochte sie nicht. Er hatte sie bis ins Detail ausgefragt, wo sie herkam und warum sie nicht mehr in der WG wohnen wollte. Und warum sie ausgerechnet hierher gezogen war. In so ein kleines Apartment. Wo doch Neuhausen viel schöner war.
    Es kam Michaela vor, als musste sie sich die ganze Zeit verteidigen.
    Sie spürte, wie ihre Füße kalt wurden und blickte auf ihre Zehen, die sich krümmten. Bevor sie wieder nach drinnen ging, sah sie sich auf dem Balkon um.
    Kahl und schmucklos, dachte sie. Eine wackelig wirkende Konstruktion zum Wäschetrocknen hing an der Wand und ein Thermometer, wie sie es noch von Oma Elvi kannte. Auf dem lackierten Querschnitt einer Birke befestigt.
    Im nächsten Frühjahr würde sie Blumen pflanzen.
     
    ***

Atze war kurz vor Straßburg, als es ihm das zweite Mal passierte. Er wusste nicht so recht warum, eigentlich fuhr er immer sehr konzentriert.
    Viel zu spät hatte er bemerkt, dass der Lastwagen vor ihm bremsen musste. Kurz hatte er überlegt auszuweichen, aber mit Sicherheit wäre er dann ins Schleudern geraten.
    Gott sei Dank war keiner hinter ihm gewesen!
    Atze merkte, wie zittrig er war. Er musste anhalten und eine Pause machen, bevor er wirklich noch einen Unfall riskierte.
    Die wenigen Kilometer bis zum nächsten Autohof versuchte er aufzupassen. Erleichtert setzte er den Blinker und suchte einen freien Platz zwischen den anderen Blech-Kolossen.
    Atze sah auf die Uhr. Kurz vor drei.
    Er sprang vom Führerhaus, schlug die Tür mit einem lauten Knall zu, schloss ab und ging zur Raststätte.
    Eigentlich war diese Michaela, die unter ihm eingezogen war, überhaupt nicht sein Typ.
    Rein äußerlich schon. Sie wirkte eigenartig und auch ein bisschen verschüchtert.
    Aber die ganze Woche musste er immer wieder daran denken, wo sie jetzt war, was sie tat und ob sie allein zurechtkäme.
    Sie hatte sich nicht bei ihm gemeldet und er hatte sie nicht noch einmal gesehen.
    Atze stand vor der Kuchentheke und konnte sich zwischen dem Nussgebäck und der Obsttorte nicht entscheiden. Schließlich stellte er beide Teller auf sein Tablett.
    Am Kaffeeautomaten standen drei Leute an. Er schien nicht richtig zu funktionieren. Atze
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