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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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erkoren hatte, steigerte sich zusehends. Ich kannte Udo schon seit einer Ewigkeit, er war meiner Meinung nach alles andere als ein stürmischer Verführer, der sich an unschuldige Landpomeranzen heranmachte.
    »Die hat dich reingelegt«, sagte ich.
    »Wie auch immer«, meinte mein Mann unbestimmt, aber er freue sich auf den Nachwuchs. Als unser Sohn geboren wurde, habe er so um die eigene Karriere kämpfen müssen, daß er gar nicht mitbekam, wie schnell ein kleines Kind heranwächst.
    »Kann man das im Großvateralter noch nachholen?« fragte ich.
    »Bei einer Frau ist das anders«, belehrte er mich, »aber ein Mann ist mit fünfzig noch nicht alt.«
    Diese Worte waren es wohl, die mich ausrasten ließen. Ich fegte ihm mit dem borstigen Handbesen die Brille von der Nase, und rannte laut weinend ins Haus. Leider ging weder die Nase noch die Brille zu Bruch.
     
    Seitdem mag ich keinen Flieder mehr, ja der Frühling kommt mir von Grund auf verdächtig vor. In Annelieses Garten hat der Fliederbusch zum Glück bereits seine braunen Nägelchen angesetzt; hier blühen schon die ersten Sommerblumen – Rittersporn, Akelei, Rosen und Glockenblumen. Bald wird auch der wuchernde Felberich in fröhlichem Dottergelb leuchten. Meine Freundin und ich kosten diesen Sommer aus: Im Moment essen wir tagtäglich auf der warmen Terrasse. Meine liebste Jahreszeit ist und bleibt jedoch der Herbst, obwohl der Winter besser zu meinem Alter und meinen weißen Haaren passen würde.
     
    Damals, vor 24 Jahren, waren meine Haare noch dunkel, aber ich war verzweifelt. Immer wieder hat mich Anneliese trösten müssen. Und dazu gehörte auch, daß sie mir unsere gemeinsame Zukunft in warmen Worten ausmalte. Meine Freundin hatte eine Tante im Altersheim besucht und war seitdem entschlossen, niemals aus ihrem Häuschen auszuziehen.
    »Ein Leben ohne meinen Garten ist mir unvorstellbar. Aber was ist, wenn Hardy den Rasen nicht mehr mäht und die Hecke nicht mehr schneidet? Ich habe da eine Vision: Was hieltest du von einer Frauen- WG ?«
    Tatsächlich war ihr Mann, der eigentlich Burkhard hieß, nicht mehr bei bester Gesundheit. Anneliese war sich sicher, ihren Hardy um Jahrzehnte zu überleben, und sparte nie mit entsprechenden Andeutungen. Spaßeshalber dachten wir uns schon damals aus, wie wir als Witwen gemeinsam residieren würden: Sie sollte im unteren, ich im oberen Stockwerk je zwei Zimmer bewohnen, die Küche und das Kochen wollten wir uns teilen, die zwei Mansarden konnten unseren Kindern und deren Anhang als Gästezimmer dienen.
    Alle paar Jahre kamen wir wieder auf unseren Plan zu sprechen, der jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden mußte, denn Burkhard erwies sich trotz seines kränklichen Zustands als überraschend zählebig. Als er schließlich doch unter der Erde lag, wollte ich meine spät begonnene Berufstätigkeit nicht gleich aufgeben. Außerdem kehrte Annelieses jüngste Tochter nach einer gescheiterten Frühehe ins Elternhaus zurück, um eine Zeitlang ein kostenloses Studierzimmer zu bewohnen.
     
    Nun sind wir seit vier Wochen glücklich vereint und meinen immer noch, daß es die beste Entscheidung unseres Lebens war, auch wenn sich einige Kleinigkeiten erst einspielen müssen. Der ganze Stress, den man im Zusammenleben mit einem Mann nun einmal hat, fällt völlig weg. Frauen sind belastbarer, friedlicher, kompromißbereiter.
     
    Ein befreundeter Architekt hatte ein Konzept für die erforderlichen Umbauten entworfen. Für ein zweites Bad im Parterre hätten Flur und Garderobe verkleinert werden müssen. Viel zu teuer, meinte Anneliese, das könne sie sich nicht leisten. Selbst auf meine Rechnung wollte sie es nicht machen lassen, und auf keinen Fall wollte ich ihr zu spüren geben, daß ich besser bei Kasse bin als sie. Nun hat Anneliese zwar den Wohn- und Eßraum im Erdgeschoß behalten, zusätzlich aber im ersten Stock ein Schlafzimmer neben meinem bezogen. Das Bad muß ich mit ihr teilen. Mir wäre es anders lieber gewesen – aber, mein Gott, es ist halt nicht mein eigenes Haus! Und wegen solcher Lappalien werde ich mich bestimmt nicht aufregen.
    Viel wichtiger ist mir, daß wir in der warmen Jahreszeit so oft draußen sitzen können, den üppig blühenden Salbeistrauch direkt vor unseren Nasen. Es ist lange her, daß ich selbst einen Garten hatte. Nach der Scheidung hat Udo das Haus verkauft, und später besaß ich nur noch einen kleinen Balkon.
    Außer der Miete für meine Privaträume bezahle ich die Putzfrau
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