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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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Graphiken, in den Regalen breiten sich allerhand Edel-Souvenirs aus fernen Ländern aus, am Boden liegt ein dunkelblauer chinesischer Seidenteppich. Drei schneeweiße Sofas werden schon bald ein unerwünschtes Muster von schmierigen kleinen Händen erhalten.
    Ewalds Schwiegersohn zieht die Schürze aus, wirft sie auf eines der Sofas und holt Gläser für einen Begrüßungsdrink.
    Im übrigen scheint Andreas ein stiller Mann zu sein, der seine Pflichten als Gastgeber ohne viel Aufheben versieht. Er schaut ein paarmal auf die Uhr und eilt dann plötzlich in die Küche, aus der es kräftig nach Knoblauch riecht. Ewald schenkt Anneliese, mir und sich selbst ein Glas Sherry ein, traut sich aber nicht, als erster mit dem Trinken anzufangen. Als endlich die Tür aufgeht und Yola eintritt, geht ein Leuchten über sein Gesicht.
    Offenbar hat Yola Ewalds helle Augen geerbt, die in auffälligem Kontrast zu ihrem Teint stehen. Eine Haut wie Milchkaffee, denke ich, so sagt man doch dazu. Und auf jeden Fall eine attraktive und selbstbewußte Frau, die uns stolz ihren kugeligen Bauch entgegenstreckt. Das Goldkettchen stammt bestimmt aus Brasilien. Trotz ihrer Schwangerschaft trägt sie Stilettos, die sie aber nach wenigen Minuten abstreift und als Stolpersteine herumliegen läßt. Yolas Händedruck ist beinhart.
    »Das also sind Papas Freundinnen«, stellt sie fest und mustert uns unerschrocken. »Er hat wohl gern mehrere Eisen im Feuer!«
    Ewald grinst und protestiert: »Wie ihr seht, habe ich eine ziemlich freche Tochter in die Welt gesetzt! Vor nichts auf der Welt hat dieses Kind Respekt!«
    »Das muß an deiner fehlenden Erziehung liegen«, kontert sie und schnuppert in Richtung Küche. »Wann ist denn endlich das Essen fertig? Gustav und ich haben einen Bärenhunger! Und wo steckt überhaupt Mama?«
    »Wer ist Gustav?« fragt Anneliese, und Yola deutet auf ihren Bauch.
    »Könnte mir mal jemand helfen?« ruft Andreas von nebenan, und erstaunlicherweise setzt sich Ewald in Bewegung. Kurz darauf erscheint er mit einem Tablett und beginnt etwas linkisch den Tisch zu decken. Yola macht keinerlei Anstalten, sich an hausfraulichen Arbeiten zu beteiligen.
    »Wo ist Mama?« fragt sie zum zweitenmal und geht schließlich auf die Suche, weil niemand antwortet.
     
    Luizas Auftritt ist bemerkenswert. Mit einem solchen Temperament können wir einfach nicht mithalten, denke ich, ein Mann würde wahrscheinlich urteilen: Die hat Pfeffer im Hintern. Unseren Studenten ist zwar Luizas leichte Gehbehinderung aufgefallen, aber zunächst nehme ich nur das rasante Tempo wahr, in dem sie barfüßig hereinstürmt. Sie reicht uns ihre schmale, knochige Hand, trinkt sofort irgendein gefülltes Glas aus und amüsiert sich über Ewalds Bemühungen, gerollte Servietten in hohe Weingläser zu stecken.
    »Wo hast du denn das gelernt?« fragt sie und tätschelt ihm den Rücken. »Etwa von deiner Frau? Ich lach mich kaputt!«
    Dann legt sie je einen Arm um Anneliese und mich und sagt: »Habt ihr schon den Wintergarten gesehen? Und unsere wunderbaren Pflanzen?«
    Sie scheint uns mit großer Selbstverständlichkeit zu duzen, was weder uns noch der jüngeren Generation in den Sinn gekommen wäre. Zum zweitenmal betreten wir also den Glaspalast, obwohl es inzwischen fast dunkel geworden ist. Luiza zündet viele Kerzen und eine Zigarette an.
    »Hier fühle ich mich ein bißchen wie zu Hause«, sagt sie, »weil ich für ein paar tropische Gewächse gesorgt habe. Habt ihr schon einmal so eine stattliche Engelstrompete gesehen?«
    Anneliese begutachtet wohlwollend die Konkurrenz, die an diesem geschützten Standort prächtig gedeiht. »Meine Datura candida muß leider im Keller überwintern«, sagt sie bedauernd und wendet sich den anderen Gewächsen zu.
    »Der Korallenstrauch und die Tibouchina stammen ebenfalls aus Brasilien«, sagt Luiza. »Sieh mal, diese hier hat selbst im Herbst noch violettblaue Blüten, sie braucht aber viel Licht und Wärme. Auch die Bougainvillea kommt aus meiner Heimat, obwohl man hierzulande glaubt, sie wachse nur im Mittelmeerraum.«
    Luiza spricht ein grammatikalisch perfektes Deutsch mit minimalem Akzent. Ihr Teint ist wesentlich dunkler als der ihrer Tochter und schimmert im Licht der Kerzen fast bläulich, ihre Kleidung besteht aus mehreren zipfelnden Etagen in den Farben rosa, gelb und hellgrün. An ihrem linken Handgelenk entdecke ich die teure Armbanduhr, die Ewald am Strand gefunden hat. Anneliese und ich können gar nicht
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