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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Autoren: Urs Wälterlin
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VORWORT
    Eigentlich wollte ich dieses Vorwort mit ein paar Klischees beginnen: Australien, das Traumland. Rotes Outback, Bondi Beach, Opernhaus, Crocodile Dundee. Ein paar Worte zu den Kängurus, die frühmorgens vor meinem Büro vorbeihoppeln, hier auf unserer Farm zwei Stunden südlich von Sydney. Oder vielleicht ein paar Gedanken zum einzigartig schönen Blau des Himmels über meiner Wahlheimat. Oder ein Satz zum menschenleeren Strand, an den wir im Urlaub fahren.
    Stattdessen fürchte ich um mein Leben. Es ist Januar 2013, das Thermometer zeigt über 40 Grad, ich sitze im Büro und schaue mit wachsender Panik zum Horizont. Wir sind auf allen Seiten umgeben von Eukalyptuswäldern. Fünf Buschfeuer brennen in der Distanz, sie können jeden Moment ausbrechen und die Gegend in ein Flammeninferno verwandeln, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Region ist zum Katastrophengebiet erklärt worden. »So gefährlich wie jetzt war die Situation noch nie«, warnt der Premier. Wer auf dem Land lebe, solle sich die Evakuierung überlegen. Gestern hatte ein Feuersturm in Tasmanien 100 Häuser zerstört.
    Ich bin alleine. Zum Glück in diesem Fall. Meine Frau Christine und unser jüngster Sohn David sind in Sydney, in Sicherheit. Der 15-jährige Samuel ist als Austauschschüler in der Schweiz. Seit gestern trage ich unser Hab und Gut in den Feuerbunker, den wir letztes Jahr in den Hügel hinter dem Haus haben einbauen lassen. Bilder, Familienfotos, Omas Stoffpuppe. Das Wichtigste nur. Im schlimmsten Fall muss ich ja auch noch rein. Und Max, der Schäferhund, und Susi, Davids Miniaturschwein.
    Einmal mehr wird mir klar, wie nah in diesem Land Schönheit und Grausamkeit beieinanderliegen. Einzigartige Lebensqualität und tödliche Gefahr, Euphorie und Schmerz, Feuer und Flut. Dieses Land ist so vielfältig und komplex wie seine Natur, die sich, wie an diesem Tag, in kurzer Zeit von einem Paradies in eine Hölle verwandeln kann.
    Von dieser Vielfalt soll dieses Buch handeln. Sonne und Schatten. Ich beschreibe den Weg, den meine Familie und ich in diesem Land zurückgelegt haben. Er beginnt in der Großstadt Sydney und führt nach Greentown, der Kleinstadt, in deren Nähe wir heute leben. Und dazwischen bereise ich dieses riesige Land als Reporter – von den roten Schluchten Westaustraliens bis in die Urwälder Tasmaniens. Seit 20 Jahren berichte ich für deutschsprachige Medien aus »Downunder«. Der Beruf bringt mich mit Aboriginal-Rockstars zusammen, mit Kängurujägern und mit dem Premierminister.
    Dies ist ein Buch über den Alltag in Australien, roh, direkt und manchmal widersprüchlich. Es basiert auf meinen eigenen, manchmal sehr persönlichen Erfahrungen. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nur auf Ehrlichkeit. Um die Persönlichkeitsrechte der Menschen zu schützen, über die ich schreibe, habe ich Namen von Betroffenen, den Zeitpunkt von Geschehen und natürlich auch den Namen von Greentown verändert.
    Ich rieche Rauch. Zeit für die Evakuierung oder den Bunker. Ich ziehe dicke Baumwollhosen an, Lederstiefel, einen Wollpullover. Die brennen nicht so schnell wie Kunstfasern. »Wieso musst du denn so wohnen?«, hat mich vorhin mein Vater aus der Schweiz am Telefon gefragt. »Weil wir uns einen Traum verwirklicht haben«, antwortete ich. Den australischen Traum. Im Moment gleicht er eher einem Alptraum. Der Himmel über mir ist glühend rot. Die Stimmung ist apokalyptisch. 41,2 Grad, und das abends um sechs. Backofenhitze. Ironisch eigentlich, wenn ich daran denke, wie unsere Geschichte in Australien vor 20 Jahren begonnen hat.
    Urs Wälterlin

KAPITEL 1
    »Du dampfst«, sagt Christine. Es ist so kalt in unserem gemieteten Haus, dass mein Körper nach der warmen Dusche dampft wie ein tiefgekühltes Huhn auf der Auftauplatte. »Ich mag nicht aufstehen bei dieser Scheißkälte«, murmelt meine Frau und dreht sich im Bett um. »Ich auch nicht«, denke ich. Aber ich muss. Einer muss schließlich Geld verdienen. Sonst können wir bald wieder einpacken.
    Wo sind wir hier bloß gelandet? Seit meinen Tagen in der Schweizer Armee habe ich nicht mehr so gefroren wie in Australien. Das Land der Sonne? Dass ich nicht lache. Gut zwei Monate ist es her, seit wir in Sydney angekommen sind. Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel. So wie man sich die Ankunft in Australien eben vorstellt. Wir zogen in die Blue Mountains, die Bergkette, die das Sydney-Becken vom australischen Hinterland trennt. Dort lebten wir
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