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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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angepriesene Spezialität zu holen.
    Kaum ist Luiza außer Hörweite, da flüstert Anneliese mir zu: »Nett, aber eine Nervensäge!«
    »Stimmt! Und eine Schlange dazu! Hast du schon mal eine Gehbehinderte gesehen, die mit dem Po wackeln kann wie eine Samba-Tänzerin?«
    Luiza kommt mit einem geschnitzten Kästchen zurück.
    »Ihr dürft es den Männern aber nicht verraten und Yola schon gar nicht«, sagt sie verschwörerisch und schenkt uns die fünfte Caipirinha ein.
    Jetzt werde ich neugierig. Zwar habe ich meinen letzten Glimmstengel vor etwa vierzig Jahren geraucht, aber soll ich deswegen zur Spielverderberin werden? Wahrscheinlich hat Luiza ihre Mischung mit Marihuana verfeinert. Fast alle jungen Leute, selbst Rudi und Christian, haben diesbezüglich schon Erfahrungen gesammelt, und ein gelegentlicher Joint hat ihnen auch nicht geschadet. Die vielen unterschiedlichen Getränke haben meine Prinzipien längst ins Wanken gebracht, und ich stecke mir wie selbstverständlich eine Zigarette an.
    »Macht es ein bißchen high?« fragt Anneliese erwartungsvoll.
    »Fast gar nicht«, sagt Luiza, »ich würde eher sagen, es macht glücklich.«
    Sie erzählt von ihrer Großmutter, die eine Priesterin der Candomblé-Religion war und magische Kräfte besaß. Anneliese ist völlig fasziniert, doch ich bin schon bald enttäuscht. Jetzt habe ich bereits drei Zigaretten geraucht und beobachte keinerlei Wirkung, weder an mir noch an den anderen. Alles fauler Zauber, denke ich, aber das ist ja auch besser so. Soll ich auf meine alten Tage noch zur Kifferin werden? Besser, wir gehen jetzt unverzüglich nach Hause.
    Ich stehe auf und schaue durch die Glastür in die Eßecke, wo die beiden Schachspieler mit verbissenem Ausdruck auf das Brett starren. Anneliese hat recht, das kann noch Stunden dauern.
    »Sind Ewald und Andreas eigentlich gute Spieler? Sie wirken so ernst«, sage ich.
    »Keine Ahnung, aber sie können wohl sonst nicht viel miteinander anfangen«, meint Luiza. »Yola und ich diskutieren und tratschen gern, manchmal verfalle ich auch ins Portugiesische, dann versteht Andreas sowieso nichts. Außerdem muß er den lieben langen Tag mit Patienten reden, da mag er abends nur ungern den Mund aufmachen.«
    »Aber mit Ewald kann man doch gut plaudern«, sagt Anneliese.
    Luiza meint grinsend: »Findest du? Ja, wir Frauen vielleicht schon, mein Schwiegersohn aber bestimmt nicht.«
    Nachdem sie eine Weile lang Anneliese fixiert hat, sagt sie: »Du trägst aber besonders schönen Schmuck! Solche großen Smaragde könnten fast aus Brasilien stammen, aber wahrscheinlich hast du sie von deiner Oma geerbt.«
    Anneliese nickt stolz und nestelt bereits an der Brosche herum. Flink hat sie auch Armband und Ohrgehänge abgelegt; nur beim Ring muß sie passen, er scheint sehr fest zu sitzen.
    »Kannst du ruhig mal anprobieren, wahrscheinlich steht dir Schmuck viel besser als mir.«
    Das ist allerdings wahr. Auf Luizas dunkler Haut kommen die grünen Steine erst richtig zur Geltung.
    Ich setze mich wieder hin, und plötzlich wird mir schwindelig. Der Wintergarten weitet und verengt sich wie in einem Fiebertraum.
    »Macht mal die Fenster auf«, bitte ich, »die Luft ist hier zum Schneiden!«
    Luiza kichert wie ein Kobold, und ihre Augen funkeln. Dieses gelbliche Leuchten könnte auch von einem Tier stammen, das überraschend am Randstreifen der Autobahn auftaucht und plötzlich in wilden Sprüngen über die Straße setzt. Im Grunde weiß ich genau, daß man in solchen Fällen Gas geben soll.

27
    Anneliese ist zwar auch berauscht, aber trotzdem besorgt um mich. Wahrscheinlich sehe ich aus wie ein Zombie.
    »Wollen wir nicht der dumpfen Stubenluft entfliehen und uns im Abendhauche kühlen?« fragt sie.
    Diese dumme Pute, was redet sie auf einmal für einen Unsinn, denke ich, am liebsten will ich doch bloß ins Bett! Ich nicke nur matt, als Luiza und Anneliese mich hochziehen. Bei unserer unvermeidlichen Durchquerung des Wohnzimmers heben die Schachspieler noch nicht einmal den Blick. Unter ständigem Kichern schlüpft Luiza in hochhackige rote Stiefel. Sie sieht aus wie eine Teufelin. Gemeinsam treten wir vor die Haustür, und ich atme tief durch.
    »Kommet, ihr Schwestern, lasset uns wandeln«, ruft Anneliese. »Sehet, wie festlich das Städtchen erleuchtet, wie friedvoll der Neckar strömet zu Tal!«
    Luiza zieht die Haustür zu. Ihre Krücken hat sie drinnen gelassen.
    »Bergauf oder bergab komme ich nur langsam voran«, sagt sie, »wenn wir
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