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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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mit einer Art Tülle im Deckel. Bevor ich noch recht weiß, ob ich aus dieser Schnabeltasse trinken muß, geht die Tür auf, und eine Krankenschwester tritt ein. Mit gerunzelter Stirn fühlt sie meinen Puls. Wie es uns gehe, will sie wissen.
    »Wo sind die anderen?« frage ich.
    »Sie werden es früh genug erfahren«, sagt die Pflegerin kühl, »ich bin nicht befugt, Ihnen Auskunft zu erteilen. Die Polizei hat im übrigen auch schon nach Ihnen gefragt.«
    Sie verläßt mich rasch, aber kurz darauf steht Yola an meinem Bett, zieht sich einen Stuhl heran und fragt: »Wissen Sie noch, wer ich bin?«
    Yola sieht schlecht aus, unausgeschlafen und verweint.
    »Ihre Pupillen sind immer noch stark erweitert. Können Sie sich erinnern, was Sie gestern abend alles konsumiert haben?« beginnt sie das Verhör.
    Soll ich verraten, wer uns angestiftet hat? Lieber erwähne ich nur ein paar harmlose Drinks und Zigaretten, die Luiza mit uns geteilt hat.
    »Ich kann mir schon denken, was das für ein Kraut war«, sagt Yola und mustert mich kopfschüttelnd. »Es tut mir leid, wenn Ihnen meine Mutter bleibenden Schaden zugefügt haben sollte.«
    »Wo ist sie? Wo ist Anneliese?« frage ich.
    »Ihre Freundin liegt noch auf der Intensivstation«, sagt Yola. »Sie befand sich in einem derart deliranten Zustand, daß man sie unter ständiger Kontrolle halten mußte. Glaubte, sie sei von Dämonen besessen! Inzwischen soll sie sich aber beruhigt haben. Meinen Vater hat man zur Beobachtung ebenfalls hierbehalten.«
    »Und Ihre Mutter?«
    Bei diesem Stichwort ist es mit Yolas Fassung vorbei, sie heult los. »Meine Mutter wurde noch nicht gefunden!«
    Immerhin ist sie nach längerem Schluchzen in der Lage, mir einige Details zu berichten. Die bisher einzigen Halluzinationen unseres Lebens verdanken Anneliese und ich Yolas Mutter, die rasche Rettung aber ihrem Mann und ihrem Vater. Als Andreas und Ewald nämlich beobachteten, daß insgesamt drei Personen von der Brücke stürzten, alarmierten sie die Notrufleitstelle. Da Eile geboten war, sprangen sie dann sofort vom Ufer aus in die kalte Flut. Andreas hat Anneliese, Ewald mich herausgefischt.
    »Ohne ihr beherztes Eingreifen wären Sie glatt abgesoffen«, meint Yola. Nach Luiza werde immer noch gesucht. Die Wasserpolizei habe bei Tagesanbruch einen Fetzen ihrer Kleidung entdeckt, der ein paar Kilometer stromabwärts im Schilf hing.
    »Aber sie konnte doch fliegen«, murmle ich trotzig.
    Das hätte ich nicht sagen sollen, denn Yola muß aufs neue weinen. Als sie endlich weitererzählen will, streicht sie immer wieder beschwichtigend über ihren gewölbten Leib.
     
    Vor etwa zwei Jahren war Luiza in ihre alte Heimat zurückgekehrt und hatte sich dort mit einem wesentlich jüngeren Landsmann aus dem Drogenmilieu eingelassen. Als es Yola endlich gelang, ihre Mutter diesem Teufelskreis zu entreißen, kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit dem süchtigen Fernando, der mit Vergeltung drohte. Luiza floh nach Deutschland, ohne zu wissen, ob das eine gute Entscheidung war. Sie fühlte sich entwurzelt und heimatlos.
    Natürlich muß ich jetzt auch weinen.
    »Und warum liegt Ewald im Krankenhaus?« frage ich reichlich spät.
    »Nach der Rettungsaktion ist er kollabiert«, sagt Yola, »wahrscheinlich ein Kälteschock. Aber er ist schon wieder munter, vielleicht kann ich ihn heute nach Hause holen. Ich denke mal, Sie und Ihre Freundin brauchen auch nicht lange hierzubleiben, aber das wird der Stationsarzt entscheiden. Ich bin ja selbst nur Besucherin in dieser Klinik.«
    »War ich lange bewußtlos?« frage ich.
    »Wahrscheinlich nicht. Die volle Wirkung von Scopolamin tritt oft erst mehrere Stunden später ein, so daß Sie nach der Bergung noch sehr exaltiert waren. Man mußte Sie sedieren und Ihre Freundin ebenfalls. Aber wie man sich in Ihrem Alter an pubertären Mutproben beteiligen kann, das will mir einfach nicht in den Kopf! Es hätte weit schlimmer ausgehen können!«
    Ich schäme mich in Grund und Boden.
    Wenn es auch Yolas eigene Mutter war, die uns die Sache schmackhaft gemacht hat, so ist die Ärztin mit ihrer Strafpredigt trotzdem nicht am Ende: »Mein Mann mußte heute seine Sprechstunde absagen, nicht nur wegen einer saftigen Erkältung. Sie sollten sich mal ansehen, wie Ihre feine Freundin ihm das Gesicht zerkratzt hat, weil sie ihn angeblich für einen Dämon gehalten hat! Er sieht aus, als sei er in eine Löwengrube gefallen. Mein Gott, als ob ich nicht schon von Berufs wegen genug
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