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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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jedenfalls, die immerhin ungefähr fünfhundert Wissenschaftler umfaßte, hatten ihren Experimentatoren empfohlen, sie nun bei der Fortsetzung der Versuche wieder anzuwenden.
    Die EGI bestand eigentlich nur darin, daß eine Gruppe von arbeitsteilig nicht differenzierten Leuten, in diesem Fall fünf an der Zahl, einem automatisch gesteuerten Prozeß tatenlos zusahen, bis der erste einen Einfall hatte, wie einzugreifen sei, und zugleich das sichere Gefühl, daß die andern sein Eingreifen verstehen und ihm folgen würden. Von dieser Sekunde an wurde er zum Leiter, und die anderen ordneten sich ihm zu. Das alles klang für jemanden, der noch nicht daran teilgenommen hatte, sehr nach Zufall und Subjektivismus, und diesen Vorwurf erhoben auch die meisten Kritiken. Tatsächlich aber, Ruben wußte es aus eigener Erfahrung, hatte die Sache weder mit dem einen noch mit dem andern viel zu tun; allerdings hatte bisher auch keiner von denen, die sie praktiziert hatten, genau sagen können, was sich da eigentlich abspielte. Nur in einem waren sich alle einig: daß das Arbeitsklima, die Kollektivität während dieses Prozesses ungeheuer enthusiastisch, befreiend und beflügelnd war – weshalb sie auch den Ausdruck Ensemble gewählt hatten, der ja eigentlich mehr der Kunst zugehörte als der Wissenschaft.
    Ruben bedauerte ein wenig, daß er an diesem Experimentzyklus als Außenseiter mitarbeiten sollte, also in einer inzwischen zur Methode gehörenden Position, in der er nicht an der EGI teilnahm, sondern den Prozeß von außen überwachte, auch registrierte und beurteilte. Aber da er nach nunmehr drei Jahren Trennung noch nicht wieder die intensiven psychischen Beziehungen zu den anderen hatte wie diese untereinander, war die Position des Außenseiters für ihn der einzige Einstieg ins Kollektiv. Alle anderen Voraussetzungen erfüllte er, denn er kannte den Gegenstand und die Methode und hatte sich über alle inzwischen entstandenen Erkenntnisse und Hypothesen informiert.
    Der letzte Kollektor war entfaltet, Ruben wollte gerade an Bord des Zollstocks gehen, da meldete die Automatik: Unmittelbar neben dem Zentrum des Schirms begann der Metallbelag auf der Innenseite für einen Teil der Strahlung durchlässig zu werden, und zwar auf einer ziemlich großen Fläche. Ruben mußte hinüber, aber jetzt nicht mehr außen um den ganzen Schirm herum, das würde zu lange dauern; er würde die Folie auftrennen, sozusagen einen Triangel in den Stoff reißen, dort durchschlüpfen, später wieder zurück und zuletzt das Schlupfloch zukleben.
    Mit dem Feuerstuhl konnte er freilich nicht hinüber, dazu standen die Rippen hier zu eng. Er mußte also das Loch direkt am Mittelstück schneiden, dann alles hinüberstecken und mit Magnethaftern befestigen. Er machte den Feuerstuhl am rückwärtigen Teil des Mittelstücks fest und schätzte die Fläche ab; es trat so viel sichtbares Licht hindurch, daß sie sich deutlich abzeichnete. Ein Dutzend kleine Rollen würden genügen. Sollte er jemand zur Hilfe anfordern? Das fehlte noch! Der erfahrene Pilot, der die große Photonik an den Rand des Sonnensystems gesteuert hatte!
    Gleich darauf erschien ihm diese Regung wunderlich. Er war doch sonst nicht von Überheblichkeit geplagt. Trotzdem war der Entschluß richtig – das hier war Arbeit für einen, und die andern fünf hatten an der Anlage Blastron genug zu tun.
    Als er auf die Sonnenseite des voll entfalteten Kollektorschirms hinüberwechselte, mit abgedunkeltem Visier selbstverständlich, hatte er zuerst den Eindruck, sich in einer riesigen Kugel zu befinden, von der eine größere Kappe abgeschnitten war – das Stück schwarzer Himmel, in dessen Mitte die Sonne strahlte. Von dieser Seite aus war nicht zu sehen, wo sich die beschädigte Fläche befand, aber Ruben hatte sich ihre Form und Größe gut gemerkt, und ihr Anfang war ja gegeben durch das Mittelstück, das hier schon den stempelförmigen Verdampfer bis in den Brennpunkt des Spiegels ausgefahren hatte.
    Ruben drehte sich der Spiegelfläche zu und kniete nieder; eigentlich war es der entgegengesetzte Vorgang des Niederkniens, denn er mußte nicht wie auf der Erde mit den Muskeln das Körpergewicht ausgleichen – er hatte ja keins –, er zog vielmehr seinen Körper an den Kollektor heran, mit dem ihn die Magnetschuhe verbanden. Aber Ruben hatte genügend Erfahrung bei Arbeiten im Raum, das irritierte ihn nicht. Schwieriger war schon das Sehen. Er regelte die Abdunklung des Visiers herunter, so
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