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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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er geneigt war anzunehmen, daß die Ratgeberin, mit der er im Anschluß sprach, sich in der Einschätzung des Todesfalls irrte. Als Zweiter Gehilfe des RR, des Ratgebers der Region, hatte er so viele verzwickte Fälle untersuchen müssen, daß er sich hütete, augenscheinliche Zusammenhänge zu ernst zu nehmen. Jedenfalls aber mußte er dorthin, er konnte das Ende des Magiertreffens leider nicht abwarten. Dabei war es noch ein Glück, daß das Treffen in Berlin stattfand, von wo er höchstens zwei Stunden mit einem Wagen unterwegs sein würde – oder wenn er den Ersten Gehilfen, der hier in Berlin saß, um seinen Hubschrauber bat? Das wird am günstigsten sein, entschied sich Wenzel. Den Arzt nehme ich auch von hier mit, Hasgruber am besten, mit dem habe ich schon gearbeitet, mal sehen, ob er erreichbar ist…
    Eine halbe Stunde später war der Hubschrauber auf dem Flug zum Vorwerk von Altenwessow. Das Sirren der Elektromotoren störte Wenzel, es war nicht laut, aber unangenehm für seine Ohren, außerdem nörgelte Dr. Hasgruber ständig, er war aus einer mehrtägigen künstlerischen Schaffensperiode herausgerissen worden, mit seinem Einverständnis zwar, aber nicht zu seinem Vergnügen. Und unter ihnen war nichts als Wald, Wald und Busch, nur selten von einer Straße durchschnitten. Früher mochte es hier – wenigstens von oben – abwechslungsreicher ausgesehen haben, früher, vor Beginn der Meeresbewirtschaftung, als der hiesige nicht sonderlich gute Boden noch landwirtschaftlich genutzt wurde und nicht wie jetzt landschaftlich. Es war also kein angenehmer Flug, obwohl die Sonne schien; aber nun würde gleich, wahrscheinlich hinter diesem Hügel, Altenwessow auftauchen, und dann mußte man dem Weg westwärts etwa drei Kilometer bis zum Vorwerk folgen, der würde ja hoffentlich erkennbar und jetzt, im Frühling, noch nicht vom Laub überdeckt sein. Da, das war das Dorf, und dort nun, richtig, das war der Weg, abschnittweise schlecht einzusehen, und da war das Vorwerk, dort stand auch schon der Rettungswagen vom Kreiskrankenhaus, den Wenzel noch von Berlin aus in Marsch gesetzt hatte, der Platz daneben reichte zum Landen.
    Eine kräftige Frau und ein junges Mädchen empfingen sie, als sie aus dem Hubschrauber stiegen. Die Frau erkannte Wenzel, es war die Ratgeberin, mit der er über Video gesprochen hatte. Das Mädchen – das war wohl der hiesige Ordner, ein junges, unbeholfenes Ding, das war Wenzels erster Eindruck, aber ihr Händedruck war kräftig und angenehm, nun, man würde sehen.
    „Was haben Sie schon festgestellt?“ fragte Wenzel. „Nicht viel“, antwortete Pauline. „Heute früh, zwischen acht und neun Uhr, wurde der Tote noch am Fenster gesehen. Ein Fremder wurde gestern und heute im Vorwerk nicht beobachtet.“ Sie lächelte. „Auch kein Bekannter. Ich meine, niemand, der nicht hier wohnt.“
    Da muß sie ganz schön rotiert haben! dachte Wenzel, ließ sich aber seine Anerkennung nicht merken. „Und welches Haus ist es?“ fragte er.
    „Das da“, sagte die Ratgeberin und wies darauf, dann schwenkte ihr Arm herum. „Und das da ist meins. Wenn Sie was brauchen. Ich kann dann wohl gehen. Übrigens, zum Abendbrot lade ich Sie ein!“ Sie zögerte einen Augenblick. „Das heißt – wenn Sie Tierfleisch mögen. Manche Städter ekeln sich ja davor.“
    Wenzel zwinkerte Hasgruber zu, der schon ablehnen wollte, und bedankte sich für die Einladung. Er hatte sich mit Hilfe des ihm zugänglichen Personenregisters der Region vorher über die Ratgeberin informiert: Ihr Mann übte das Kochen als Handwerk aus, da durfte man wohl einiges erwarten. „Gehen wir!“ sagte er.
    Die Mannschaft des Rettungswagens blickte ihnen erwartungsvoll entgegen. „Wie lange dauert’s denn noch?“ fragte einer.
    Wenzel durchschaute in diesem Augenblick, wie vorsorglich die Ordnerin gehandelt hatte; offenbar hatte sie die Mannschaft draußen warten lassen, und dazu mußte sie sie wohl auch über ihn, Wenzel, informiert haben.
    „Sind Sie der Arzt?“ fragte Wenzel. Der junge Mann nickte.
    „Begleiten Sie jetzt bitte hier Dr. Hasgruber zur Leiche. Er wird nachher mit Ihnen fahren und in Ihrem Krankenhaus die Obduktion vornehmen.“
    Wenzel betrat als erster den Vorbau des Hauses und lehnte sich dann ebenso in die Tür zur Halle, wie das Stunden zuvor Pauline getan hatte. Die anderen warteten hinter ihm.
    „Während ich Aufnahmen mache, erzählen Sie mir bitte alles, was sie zur Sache wissen und festgestellt haben“,
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