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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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bat Wenzel die Ordnerin. „Zur Person bitte noch nichts, das machen wir später.“
    Pauline erzählte ihm, was sie wußte und was sie getan hatte seit der Entdeckung, und Wenzel fotografierte das Zimmer und den Toten von mehreren Seiten und in verschiedene Spektralbereichen. Dann fragte er: „Wohnte er allein hier?“
    „Ja, allein“, antwortete Pauline.
    „Die Ärzte bitte!“ sagte Wenzel. „Wir bleiben hier stehen. Und nun erzählen Sie mir etwas von dem Toten.“
    „Otto Mohr“, begann Pauline, schluckte heftig und hatte sich dann wieder in der Gewalt, „Otto Mohr, zweiundfünfzig, Dienst: Tierzüchter, Handwerk: Feinmechanik, Kunst: Glasgestaltung, hier geboren und aufgewachsen, wissenschaftliches und künstlerisches Studium in Berlin vor rund dreißig Jahren, drei Kinder, geschieden vor fünf Jahren; die Kinder in aller Welt, die Frau als Physikerin in Gagarin, da oben!“
    Pauline zeigte tatsächlich mit dem Daumen in den Himmel, so als sei die berühmte Weltraumstadt immer direkt über dem Vorwerk. Die kleine, halb kindliche Geste rührte Wenzel; das Mädchen mußte sich wohl ungeheuer beherrschen, er stellte besser zunächst mal nur sachliche Fragen.
    „Mit welcher Wahrscheinlichkeit glauben Sie sagen zu können, daß kein Ortsfremder hier war?“
    Pauline zögerte. Dann entschied sie sich, ausführlicher zu antworten. „Wenn man davon ausgeht, daß jemand das hier vorgehabt und sich richtig vorbereitet hat und hereingeschlichen ist ins Dorf und aufgepaßt hat, daß er nicht bemerkt wird – dann ist das sicherlich gut möglich. Falls man voraussetzt, daß er die örtlichen Verhältnisse genau kennt. Wenn man diesen Fall jedoch ausschließt, ist es nahezu unmöglich, daß ein Ortsfremder hier war.“
    „Warum sind Sie so sicher?“ fragte Wenzel. „Die Straße ist doch wohl nicht durchgängig belebt, oder?“
    „Die Hunde“, sagte Pauline. „Die Hunde bellen dann anders, wenn ein Fremder durch das Dorf geht. Anders, als wenn sie sich bloß miteinander über Nachbars Katze unterhalten.“
    „Und als wir gekommen sind?“ fragte Wenzel.
    „Freilich, die Hunde haben den Hubschrauber eher gehört als wir. Deshalb konnten wir ja so ‘ne Art Empfangskomitee bilden.“
    Sie mal an, dachte Wenzel, wenn man sie von dem Schlimmen hier etwas ablenkt, ist sie ja ganz lustig! Da fiel ihm aber auf, daß die Ärzte leise über irgend etwas diskutierten. „Was gibt’s denn?“ fragte er.
    Dr. Hasgruber erhob sich, den Glasstab in der Hand, als wolle er ihn zeigen. „Die Halsschlagader ist zerrissen“, sagte er.
    Wenzel kannte die kurz angebundene Art des Arztes. „Und das bedeutet?“ fragte er.
    „Wenn er da noch gelebt hätte, müßte der ganze Raum hier voll Blut sein“, sagte er fast widerwillig.
    „Er war also schon tot, als der Glasstab in den Hals drang?“
    „Als der Stab die Halsschlagader zerstörte, hatte das Herz bereits aufgehört zu schlagen, das hab ich gemeint!“
    Wenzel wußte, daß der ablehnende Ton des Arztes wie auch die Nörgelei vorhin im Hubschrauber von der Erschütterung herrührten, in die ihn solche Vorfälle immer noch versetzten. Unter normalen Umständen – das hatte Wenzel jedoch erst einmal erlebt – war der Arzt ein freundlicher und umgänglicher Gesprächspartner. Aber Dr. Hasgruber schien noch nicht fertig zu sein, er hob den Glasstab ein bißchen höher.
    „Was ist das überhaupt für ‘n Ding hier, dieser Glasstab, ich hab so was noch nie gesehen, wozu braucht man das?“ Wenzel sah Pauline an, die hob ratlos die Schultern. „Der Tote betrieb die Glasgestaltung als Kunst“, sagte Wenzel. „Wir werden nachher sehen, ob wir so etwas im Hause finden. Kann die Leiche jetzt weg?“
    Der Arzt nickte. „Ich hole die Trage“, sagte der Arzt vom Rettungswagen und ging hinaus.
    Als draußen der Rettungswagen anfuhr, lehnten Wenzel und Pauline noch immer in der Tür.
    „Sie kennen sich im Hause aus?“ fragte Wenzel.
    „Ja, recht gut“, antwortete Pauline. „Er hat mir öfter Glaszeug für meine Kostüme gemacht, ich bin nämlich auch Kostümtante fürs Kreistheater.“
    „Dann führen Sie mich bitte herum, aber nichts anfassen, nichts verändern, noch nicht, bitte.“
    Die Räume des Hauses erschienen fast unberührt, das Bett war gerichtet, in der Küche sah man, daß Otto Mohr allein gefrühstückt hatte – Brettchen, Messer, Tasse, Teelöffel standen in der Abwaschautomatik, nun schon lange getrocknet, es gab nicht das geringste Zeichen dafür, daß
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