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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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Kapitel 1
    Von Tamara zu Papst Benedikt XVI. - Persönliche Annäherungen
    Tamara und der Papst haben nichts miteinander zu tun.
    Eigentlich nichts.
    Aber bei mir doch.
    Denn meine erste große Liebe hieß Tamara, stammte aus einer türkischen Familie und war Muslimin. Ich war 17 Jahre alt, freundlich-katholisch erzogen und in Berlin aufgewachsen, zuerst Ost, dann West. Im sowjetischen Sektor, der Hauptstadt der DDR, musste die Freiheit zum Religionsunterricht gegen eifrige kommunistische Lehrer von meinem Vater verteidigt werden. In Westberlin gab es in jenen Sechzigerjahren alle Freiheiten. Mit Ausnahme von Tamara. Ich hatte sie in der »Primaner-Akademie« kennengelernt. Der Name klingt sehr altmodisch, war aber die listige Idee von Berliner Ordensleuten - den klugen Jesuiten meines Gymnasiums, des Canisius-Kollegs am Tiergarten, in dem die Oberstufe noch nach »Obersekunda«, nach »Unter-« und »Oberprima« eingeteilt war, und den unterrichtenden Schwestern der entsprechenden Mädchenoberschulen -, um ihre Schützlinge von Zeit zu Zeit unter diskreter Aufsicht zu belehrenden Veranstaltungen und weiß Gott was zusammenzuführen.
    Tamara verzückte mich, weil sie, natürlich, wunderschön war - aber alles nur zum Anschauen. Denn, so erklärte sie mir, ihr Onkel, ein reicher Teppichhändler im Westen, in dessen Obhut sie lebe, sei außerordentlich streng - ich wisse, was sie meine -, äußerst bedacht auf ihre Sittsamkeit. Nur den katholischen Ordensleuten vertraue er seine Nichte an. Deshalb dürfe
sie von Zeit zu Zeit eben in die »Primaner-Akademie« kommen, aber auf keinen Fall irgendwie den Verdacht des Leichtsinns im Umgang mit Jungen erwecken. Allein bei der katholischen Moral sehe ihr muslimischer Onkel eine gewisse Nähe zu seinen Anschauungen. Unmöglich könne sie ihre Familie enttäuschen. So Tamara. Damals! Solche Zurückhaltung steigerte die romantische Liebe. Für einige Monate. Dann löste sich mein erstes zartes katholisch-muslimisches Verhältnis auf, bevor es richtig begonnen hatte.
    Aber eigentlich hatte sich mein erstes Verhältnis zur Welt des Islam, kaum dass ich lesen gelernt hatte, bereits bei der Lektüre der »Schönsten Märchen aus 1001 Nacht« gebildet. Ich sehe das zerlesene Buch in weißem Einband noch vor mir. Wenn ich mich recht erinnere, wurde darin keinerlei religiöse Missionstätigkeit entfaltet. Auch an religiös motivierte Gewalt kann ich mich nicht erinnern. Wundervolle, wunderliche Geschichten waren es, eine zauberhafte Kultur, ungewöhnliche, liebenswerte Menschen hier, furchterregende dort, klar zu trennen, die der jungen Fantasie in einer Zeit noch vor der Allgegenwart des Fernsehens reichliche, gute Nahrung gaben. Ich fand die »Arabischen Erzählungen« viel interessanter als deutsche Märchen oder die katholischen Legenden von Helden und Heiligen. Die Personen von Harun al-Raschid und Scheherazade, von Ali Baba und Aladin - wie gern hätte ich seine Wunderlampe gehabt! - prägten sich ein. Bagdad wurde zur legendenumwobenen Metropole kindlicher Träume und Sehnsüchte. Diese abenteuerliche Welt von guten Feen und bösen Dämonen, von Schelmen und Dieben, von Tüchtigen und Faulenzern war aufregend, anziehend, faszinierend.
    Einige Jahre später gab Karl May (1842-1912), einer der erstaunlichsten und erfolgreichsten deutschen Schriftsteller, unmerklich Lektionen über den Umgang mit Arabern und Muslimen. Bei Generationen von Jugendlichen des 19. und 20. Jahrhunderts beeinflusste Karl May nachhaltig das Bild von diesen fremden Völkern zwischen den Schluchten des Balkans, Bagdad und Stambul. Abenteuerlust und Neugier weckten die dicken Bände, dazu gaben sie Sicherheit. Denn im Zweifel und bei Gefahr
behielt der deutsche Mann, namens Kara Ben Nemsi, die Oberhand, ohne sich lang mit politischer Korrektheit aufzuhalten. Dieses Gefühl der Überlegenheit aus dem Geist der Romane - von Karl May auf Tausenden von Seiten für Orient und Okzident der Welt beschworen - schmeichelte mir und meinen Altersgenossen. Es wurde noch gesteigert von dem treuen arabisch-muslimischen Diener, Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah, dessen langen und komplizierten Namen aufsagen zu können zu den Grundfähigkeiten eines Schülers der unteren Gymnasialklassen damals, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, in Deutschland gehörte.
    Ansonsten wollte man sich nicht, konnte sich auch kaum tiefer mit den Ländern, Völkern und Religionen des Balkans und des
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