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Media Control

Media Control

Titel: Media Control
Autoren: Noam Chomsky
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Vorwort
    Die im folgenden behandelten Probleme haben ihre Wurzeln in der Eigenart westlicher Industriegesellschaften und sind von Anfang an Gegenstand von Auseinandersetzungen gewesen. In kapitalistischen Demokratien ist die politische Macht in einem Spannungsfeld angesiedelt. Demokratie heißt im Prinzip Herrschaft des Volks. Aber die Entscheidungsbefugnis über zentrale Bereiche des Lebens liegt in privaten Händen, was weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaftsordnung hat. Eine Möglichkeit, die Spannung zu vermindern, läge in der Ausdehnung des demokratischen Systems auf wirtschaftliche Investitionsentscheidungen, die Organisation von Arbeit usw. Das würde zu einer umfassenden sozialen Revolution führen, in der, zumindest meiner Ansicht nach, die politischen Revolutionen vergangener Zeiten ihre Vollendung fänden und einige der libertären Grundsätze, auf denen sie z.T. beruhten, verwirklicht werden könnten. Oder man vermindert die Spannung, indem man, wie es bisweilen geschieht, den Einfluß der Öffentlichkeit auf die staatliche und privatwirtschaftliche Macht beseitigt. In den fortgeschrittenen Industriegesellschaften bedient man sich im allgemeinen einer Vielzahl von Maßnahmen, um die demokratisch verfaßten Strukturen ihres wesentlichen Gehalts zu berauben, ohne ihre formale Funktionsweise anzutasten. Ein großer Teil dieser Aufgabe wird von ideologischen Institutionen übernommen, die Gedanken und Einstellungen so kanalisieren, daß einer potentiellen Opposition gegen die etablierten Mächte von vornherein der Stachel genommen wird.
    Mich interessiert dabei vor allem eine Frage: Auf welche Weise sorgen die nationalen Medien in den USA und mit ihnen zusammenhängende Elemente der elitären intellektuellen Kultur für die Kontrolle der Gedanken? Meines Erachtens wird diesen Dingen zuwenig Aufmerksamkeit gewidmet, und ich habe das lebhafte Empfinden, daß die Bürger demokratischer Gesellschaften Unterricht in intellektueller Selbstverteidigung nehmen sollten, um sich vor Manipulation und Kontrolle schützen und substantiellere Formen von Demokratie anstreben zu können. Diesem Zweck sollen die Materialien und Analysen des vorliegenden Bandes dienen.

Einleitung
    I. Über den »Krieg gegen den Terrorismus«
Bericht eines Journalisten vom Mars 1
    Ein für die Feier des fünfzehnten Jahrestags von FAIR (Fairness and Accuracy in Reporting) geeignetes Thema liegt, wie ich meine, auf der Hand: Es ist die Frage, wie die Medien das große Ereignis der letzten Monate, den so genannten »Krieg gegen den Terrorismus«, behandelt haben, in den islamischen Ländern und hier bei uns, wobei ich das Spektrum der US-amerikanischen Medien möglichst breit fassen möchte und dazu auch meinungsbildende und kritische Zeitschriften, d. h. im Grunde die intellektuelle Kultur allgemein rechne.
    Der »Krieg gegen den Terrorismus« ist ein wichtiges Thema, das, u. a. von FAIR, regelmäßig aufgegriffen wurde. Es eignet sich indes nicht für einen Vortrag dieser Art, weil eine detaillierte Analyse den Rahmen meiner Ausführungen sprengen würde. Insofern möchte ich einen etwas anderen Zugang wählen und fragen, wie das Thema in Übereinstimmung mit allgemein akzeptierten Richtlinien - Fairneß, Genauigkeit, Bedeutung usw. - behandelt werden sollte.
    Machen wir eine Art Gedankenexperiment. Stellen wir uns vor, daß ein intelligenter Marsbewohner, der die Journalistenschulen von Harvard und Columbia besucht und dort lauter anspruchsvolle Dinge gelernt hat, die er zudem noch für richtig hält, den Auftrag bekommt, über den »Krieg gegen den Terrorismus« zu berichten. Wie würde er das machen?
    Wahrscheinlich würde er der Marszeitung, für die er arbeitet, zunächst ein paar Tatsachen berichten. Dazu gehört die Beobachtung, daß der Krieg gegen den Terrorismus nicht erst am 11. September 2001, sondern, unter Verwendung vergleichbarer rhetorischer Mittel, bereits zwanzig Jahre zuvor erklärt wurde. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, kündigte die Regierung Reagan schon bald nach ihrem Amtsantritt an, daß ein solcher Krieg zu den zentralen Aufgaben der US-Außenpolitik gehöre. Zugleich verdammte sie, in den Worten des Präsidenten, die »bösartige Geißel des Terrorismus«. 2 Hauptangriffsziel sollte der staatlich unterstützte internationale Terrorismus sein, der in der islamischen Welt und damals auch in Mittelamerika sein Unwesen trieb. Er galt als Pest, die von »verworfenen Gegnern der Zivilisation« in einer
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