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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen
Autoren: Mary Monroe
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1. KAPITEL
    R aubvögel:
(auch
Raptatores
genannt) besitzen charakteristische Merkmale, die sie von anderen Vögeln unterscheiden. Sie haben spitze, hakig gekrümmte Schnäbel, um ihre Nahrung zu zerlegen, kraftvolle Beine mit scharfen, gebogenen Krallen an den Füßen, um die Beute zu töten, und eine außerordentliche Sehfähigkeit. Auf dem Gebiet der USA und Kanadas verzeichnet man 38 unterschiedliche Arten von Greifvögeln. Die Spezies der Raubvögel wird in folgende Subkategorien eingeteilt: Bussarde, Habichte, Falken, Weihe, Milane, Adler, Fischadler und Eulen
.
    Ein kalter, rauer Wind wehte die südkalifornische Küste entlang. Er riss an dem eisbedeckten gelblichen Schlickgras und trieb dichten grauen Nebel von der See an Land. Der dunkelhäutige alte Mann hielt inne, legte den Kopf schief und horchte in den Himmel. Er konnte die Veränderung wie ein Flüstern im Wind hören. Es war kalt. Der Mann zog die Schultern hoch, stellte den Kragen seiner abgetragenen Wolljacke auf, der nun bis an seinen Hut reichte, und vergrub seine Hände tief in den Taschen. Langsam ging er weiter, ließ aber seinen Blick gen Himmel gerichtet.
    Der alte Mann musste schon fast eine halbe Meile gelaufen sein, als ein heller, klagender Schrei das Lied des Windes übertönte. Er hielt an, angespannt, erwartungsvoll, und versuchte, durch den dichten Schleier zu sehen, der über der Sumpflandschaft hing. Es war ein friedlicher, ein stiller Morgen. Die blasse Mondsichel schien noch am Himmel. Plötzlich brach ein majestätischer Weißkopf-Seeadler aus dem Nebel hervor. Seine großen, geraden Flügel waren weit ausgestreckt, als er über das Wasser glitt.
    “Da bist du!” murmelte der Mann tief befriedigt. Er legte seine großen, knorrigen Hände um den Mund und ahmte mit einem scharfen, klaren Pfiff den Ruf des Vogels nach.
    Der Adler zog seine Kreise am Himmel. Die kraftvollen Flügel schwangen majestätisch auf und nieder. Er drehte eine Runde über dem Sumpf, dann endlich erwiderte er den Ruf.
    Das ermutigte den alten Mann. Er hob die Hände zum Mund und pfiff erneut, lauter und nachdrücklicher als zuvor. Und der Adler reagierte. Er wendete und flog direkt auf den Mann zu.
    Diese Augenblicke genoss Harris Henderson. Er blinzelte und ließ seinen Blick über die weite, offene Wiese schweifen, die von großen, schlanken Kiefern umgeben war. Das Gras war trocken, und der Boden war vom Morgenfrost bedeckt. In nur einem Tag hatte der Winter Einzug ins Land gehalten. Die angenehm milden Temperaturen der letzten Zeit waren unter den Gefrierpunkt gefallen. Er atmete tief ein und fühlte die feuchte Kälte, die sich in seinen Lungen ausbreitete. Die Morgenluft trug den Duft von brennendem Holz – Zeder, wie er vermutete – zu ihm herüber. Der Geruch war so intensiv, dass er meinte, ihn fast schmecken zu können.
    Er neigte den Kopf und blickte auf den schlanken Bussard mit den rötlichen Schwanzfedern, den er mit seinen dicken Lederhandschuhen an seine Brust presste. Maggie Mims, eine kräftige Frau, deren Haare in der gleichen Farbe wie die Federn des Vogels leuchteten, schaute ihn aufgeregt an. Ihre Augen funkelten.
    Sie nickte kurz.
    Harris hielt das Tier nun von seiner Brust weg. Mit der Linken umklammerte er die Flügel des Bussards, und mit der rechten Hand hatte er die Beine gegriffen. Sofort verschärfte sich der wachsame Blick des Vogels, er öffnete seinen Schnabel und versuchte mit aller Macht, seine Flügel zu befreien.
    “Ich weiß, du willst fort”, sagte Harris mit ruhiger Stimme.
    Er wartete geduldig, bis das Tier sich beruhigt hatte. Sein Blick war voller Bewunderung, voller Liebe. Die Bussarddame war ein wunderschönes Exemplar, mit cremefarbenem Brustgefieder und einem dunklen Streifen am Bauch sowie den charakteristischen roten Federn am Schwanz, die der Gattung ihren Namen gaben. Die Rotschwanzbussarde sind außergewöhnlich gute Jäger, J.J. Audubon nannte sie “die schwarzen Krieger”. Es war kaum zu glauben, dass dieser anmutige, gesunde und kräftige Vogel vor nicht einmal zwei Monaten mit Schusswunden in die Tierklinik eingeliefert worden war. “Jetzt dauert es nicht mehr lange.”
    Der Bussard drehte den Kopf, als er Harris’ Stimme hörte, und blickte ihn kämpferisch an – genau diese Wildheit, diese Aggressivität war nötig, um in Freiheit zu überleben. Jeder Muskel im Körper des Vogels war angespannt, alle Sinne auf die Flucht gerichtet. Harris spürte die Erregung des Tieres am eigenen Leib.
    In
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