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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen
Autoren: Mary Monroe
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Zornig sah er Brady an und sagte mit leiser, bedrohlicher Stimme: “Entweder bist du auf meiner Seite, oder du stellst dich gegen mich.”
    Brady zögerte.
    Sein Vater schimpfte ihn verweichlicht und feige, warf ihm einen verächtlichen Blick zu und setzte sein Gewehr an.
    Brady spürte, wie sich sein Brustkorb zuschnürte, und sah wieder durch sein Zielfernrohr. Sein Finger berührte den Abzug. Das ganze Leben mit seinem Vater erschien ihm wie eine endlose, qualvolle Reihe von Tests.
    War er nun auf der Seite seines Vaters, oder war er gegen ihn?
In eben diesem Moment, der eine Ewigkeit zu dauern schien, erkannte Brady, dass, wie auch immer er sich entscheiden würde, sein Leben nicht mehr wie vorher wäre.
    Der alte Mann strahlte vor Freude und Erregung beim Anblick des majestätischen Vogels mit den mehr als zwei Metern Flügelspannweite, der im Aufwind dahinglitt. Gott wusste, was er tat, als er den Adler erschuf, dachte der Mann. Kraftvolle Schwingen, einen scharfen Schnabel und Krallen, die so lang und so gefährlich waren wie die eines Tigers. Und wie er flog … Er war sich bewusst, dass er der König der Lüfte war. Es gibt auf der ganzen Welt wohl kein schöneres und anmutigeres Tier, dachte der Mann.
    Er pfiff erneut und griff in den Beutel, den er umgehängt hatte, um einen Barsch herauszuholen, den er nur für diesen Vogel mitgebracht hatte. Der Adler war mit seinem Nest und mit dem Brüten beschäftigt, und er war hungrig.
    “Nun, komm her und hol dir einen Bissen”, sagte er zu dem Tier und hielt den Fisch hoch in die Luft. Wieder pfiff er, klar und laut, bewegte den Barsch hin und her und begann bedächtig, über das Feld zu laufen. Der Adler konnte ihn sehen. Der Mann erkannte das an der Art, wie er am Himmel kreiste.
    Plötzlich zerriss das Geräusch eines Gewehrschusses den friedlichen, stillen Morgen. Der alte Mann stolperte vor Schreck. Er riss die Arme nach vorne, der Fisch fiel auf den Boden. Mit hilflosem Entsetzen sah er, wie das Tier am blauen Himmel flatterte, ins Taumeln geriet. Der Atem stockte dem Mann, als er sah, wie der Vogel einen Augenblick in der Luft zu hängen schien, wie die Flügel sich nicht mehr bewegten und wie das Tier dann wie ein Stein zu Boden fiel.
    Der Mann schrie seine Qual heraus. Aber sein Schrei wurde hinweggetragen von dem Wind, der über die Sümpfe streifte und dem Mann den Hut vom schlohweißen Kopf fegte. Langsam setzte er sich in Bewegung, ging hölzern, mit steifen Beinen über das gefrorene Feld, bis hin zum Körper des Adlers.

2. KAPITEL
    B uteos:
Die schwebenden Jäger. Buteos sind mittelgroße Vögel mit breiten Schwingen und einem kurzen Schwanz. Obwohl sie langsam fliegen, sind sie doch Meister im Gleitflug und in der Jagd. Sie bilden eine vielfältige Gruppe mit unterschiedlichsten Lebensräumen und Beutetieren. Die Kategorie der Buteos umfasst den Rotschwanzbussard, den Rotschulterbussard, den Breitflügelbussard, den Präriebussard, den Rauhfußbussard und den Königsbussard
.
    Harris stand im rauen Wind und sah in den Himmel, bis der Bussard, der nur noch als kleiner brauner Fleck erkennbar war, ganz verschwunden war. Er suchte den Horizont ab, konnte aber keinen anderen Bussard ausmachen; lediglich ein Breitflügelgeier schwebte über die Baumkronen.
    Er erinnerte sich an die Erzählungen seines Großvaters, in denen er berichtete, wie man meilenweit über die Felder laufen konnte und dabei fast alle Arten von Greifvögeln zu Gesicht bekam: den Eckschwanzsperber, den Rundschwanzsperber, Rotschwanzbussarde und Rotschulterbussarde, Falken und Weihe – sein Großvater nannte diese kleinen, schnellen Vögel “Sumpfhabichte”. Harris war damals nicht älter als fünf Jahre, als sein Großvater ihn auf seine Wanderungen durch die Felder mitnahm. Während der Ausflüge hielt sein Großvater zwischendurch immer inne, um in den Himmel zu zeigen und zu fragen: “Was ist das?” Harris hatte die Antwort stets mit kindlicher Begeisterung herausgeschrieen. Nie fühlte er sich gemaßregelt, wenn sein Großvater ihn dann korrigierte. Diese Wanderungen waren eine starke, schöne Erinnerung und markierten den Beginn von Harris’ Leidenschaft für Raubvögel. Auch sein Opa hatte Greifvögel geliebt, vor allem die Habichte, und er hatte ihm beigebracht, dass das Erkennen eines Habichts am Himmel nicht so sehr ein Talent als vielmehr eine Kunst ist. Die Farbe des Gefieders sagt bei Raubvögeln nicht so viel über die Art aus wie bei kleineren Vögeln. Er
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