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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen
Autoren: Mary Monroe
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sich die Siedlungen Charlestons immer weiter aus, und Umweltschützer sahen sich gezwungen, jedes Stückchen Land, das sie ergattern konnten, in ein Schutzgebiet umzuwandeln, um die Natur zu retten. Das armselige bisschen Boden der Simmons war ein winziges privates Fleckchen Erde, ganz umgeben von tausenden Hektar Nationalparks. Sein Vater nannte es immer den “Dorn im Hintern des Staates”.
    “Meinst du nicht, wir sollten langsam mal umkehren?” fragte Brady. Seine Füße schmerzten, und er war müde.
    “Wir gehen erst nach Hause, wenn wir etwas zum Essen gefunden haben.”
    Brady seufzte leise. Er konnte kaum noch seine Augen offen halten, und seine Füße in den schweren Stiefeln waren eiskalt. Müde trottete er seinem Vater hinterher. Er hasste es, so früh am Morgen aufstehen zu müssen. Und er hasste es, in diesem verdammten Wald herumzuhängen, hungrig und frierend, wobei er sich doch nichts sehnlicher wünschte, als in sein warmes Bett zu kommen. Auch wenn er sich sein Zimmer mit seinem Bruder und dem Hund teilen musste. Niemals würde er es seinem Vater gegenüber zugeben, aber er hasste die Jagd. Es war langweilig und sinnlos, so wie die meisten Dinge in seinem Leben.
    Endlich kamen sie an die Stelle, wo der Wald endete und in eine Sumpflandschaft überging. Sein Vater hielt inne, das Gewehr hing über seinem Arm, und er betrachtete die weite Ebene.
    Ein scharfer Wind wehte vom Ozean herüber. Er brannte auf Bradys Wangen und erweckte die Lebensgeister in ihm. Brady ließ sein Gewehr sinken und betrachtete in stiller Ehrfurcht den wunderschönen Himmel. Der Morgen kündigte sich an, und zartrosa Streifen hingen am klaren, blassblauen Himmel. Doch eine Armada von tief hängenden, grauen Wolken zog bedrohlich den Horizont auf.
    “Schau! Da!” Sein Vater stieß ihn unsanft in die Seite und deutete auf etwas.
    “Wo?”
    “Na, da! Direkt über dem Sumpf. Auf neun Uhr.”
    Brady wendete seinen Kopf und sah einen gewaltigen schwarzen Vogel über die Landschaft schweben. Die Schönheit dieses Anblicks war überwältigend.
    “Los, Junge. Nimm ihn ins Visier!”
    Sein Vater hatte ihm die seltene Gelegenheit gegeben, ein Tier zu erlegen. Brady war starr vor Schreck. Wertvolle Sekunden verstrichen, während er ungeschickt versuchte, das Gewehr genau anzusetzen.
    “Beeil dich, sonst verlierst du ihn!”
    Nein, ich verliere ihn nicht, dachte er bei sich, wohl wissend, das diese Gedanken ihn von dem Vogel ablenken könnten. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Adrenalin schoss durch seine Adern, als er gespannt durch das Zielfernrohr sah.
    “Er dreht eine Kurve”, hörte er seinen Vater sagen. “Er kommt direkt auf dich zu.”
    “Ich kann ihn nicht sehen!”
    “Er ist zurück in den Nebel geflogen. Macht nichts. Warte ab. Sei auf der Hut.”
    Brady entsicherte die Waffe, legte seinen rechten Zeigefinger auf den Abzug und wendete seinen Blick nicht von dem Punkt, an dem der Vogel wieder auftauchen musste. Er versuchte, sich zu beruhigen, tief einzuatmen, damit er den Schuss sicher abgeben konnte und sein Ziel nicht verfehlte. Sein Vater würde ihm keine zweite Chance geben, wenn er das Tier nicht erlegte.
    Okay, wo bist du? Eins … zwei … drei … Plötzlich brach der Vogel aus der Nebelwand hervor – genau an der Stelle, die Brady im Blick hatte. O ja, es war wirklich ein stattliches Tier. Ein wirklich riesiger Vogel. Er ermahnte sich selbst zur Ruhe und Besonnenheit, während er zielte. Sein Finger krümmte sich um den Abzug. Brady hielt die Luft an.
    Im nächsten Augenblick atmete er aus und ließ mit einem Fluch das Gewehr sinken. “Ich kann nicht schießen. Es ist doch ein Adler.”
    “Ein was? Verdammt … Das ist alles, was in diesem verdammten Schutzgebiet noch übrig ist.” Roy schüttelte den Kopf und fluchte leise. “Sie geben uns einfach keinen Platz, um zu jagen, und verbieten uns, Tiere zu schießen. Sieh nach oben! Er kommt auf uns zu. Kühn ist er, mutig, weil er genau weiß, dass wir nicht schießen dürfen. Wahrscheinlich wird er die Hühner eines anständigen Farmers reißen. Ach, zur Hölle. Los, mein Junge. Hol ihn dir!”
    “Was? Das kann ich nicht tun. Das ist gegen das Gesetz!”
    “Was hat denn das Gesetz mit meinem gottgegebenen Recht zu tun, zu jagen, wie es auch schon mein Vater und mein Großvater getan haben? Der Vogel ist unser Feind, hörst du?”
    “Aber der Vogel hat uns doch nichts getan.”
    “Das ist kein Spiel, mein Sohn, ich meine es ernst.”
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