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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen
Autoren: Mary Monroe
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hob beschwichtigend die Hände in die Höhe. “Schon gut, schon gut, ich geh ja. Um dieses Tier kümmerst du dich.”
    “Aber Sherry hat gesagt, sie braucht
Sie
, Harris”, unterbrach das Mädchen die beiden. “Es ist ein Adler. Sie sagt, Sie müssen sich beeilen.” Der kalte Wind pfiff, und das Gesicht des Mädchens war voller Sorge.
    Harris warf Maggie einen viel sagenden Blick zu und lief zu seinem Wagen, der am Rand des Feldes geparkt war. Er kümmerte sich um alle Raubvögel, die in der Klinik angeliefert wurden: Habichte, Eulen, Fischadler und Falken. Aber es waren die Adler, zu denen er sich besonders hingezogen fühlte. Seiner Meinung nach konnte es kein anderer Greifvogel mit der Anmut und der Kraft des Adlers aufnehmen. Und es war diese Stärke, die es so schwierig machte, mit diesen Tieren umzugehen. Anders als die kräftige Maggie war Sherry älter und von zierlicher, schlanker Statur, vergleichbar mit einem Wanderfalken. Obwohl sie klug war und schnell reagierte, hatte sie nicht die körperliche Kraft, um mit einem Tier wie dem Adler fertig zu werden. Wenn ein solch großer Vogel eingeliefert wurde, übernahm Harris die Behandlung.
    Schweigend sprang Maggie neben ihm in den Wagen. Kieselsteine flogen zur Seite, als die Räder des Wagens sich in Bewegung setzten und Harris auf die Straße bog. Die Wiese, auf der sie die Vögel in die Freiheit entließen, war nicht weit vom Coastal Carolina Center für Raubvögel entfernt. Er stellte den Truck neben dem Haus ab und lief zwischen den Bäumen hindurch auf ein weißes Holzhaus zu, das auf Zinderblöcken stand – die Klinik. Sofort machte er Sherry Dodds aus, seine langjährige freiwillige Helferin, die in voller Schutzbekleidung und offensichtlich sehr aufgeregt neben einem hoch gewachsenen, schlanken, dunkelhäutigen Mann mit schlohweißem Haar stand. Harris Blick fiel auf etwas, das der Mann in seinen Armen hielt, und er stoppte abrupt.
    Maggie griff nach seinem Arm. “Oh, mein Gott …”
    Er schluckte schwer. Was er da sah, konnte er nicht glauben. Der alte Mann trug einen ausgewachsenen Weißkopf-Seeadler in seinen bloßen Armen. Die Krallen dieses Tieres konnten ganz leicht den Mantel des Mannes zerfetzen, und mit dem spitzen, scharfen Schnabel konnte er dem Gesicht Wunden zufügen wie eine Gewehrkugel.
    “Vorsichtig”, warnte Harris Maggie, als sie sich langsam näherten. Sie wollten den Adler nicht erschrecken. Er schien unter Schock zu stehen, bewegte sich nicht, nur seine gelben Augen folgten jeder ihrer Bewegungen mit der typischen Aufmerksamkeit.
    “Zum Glück bist du hier.” Sherry atmete erleichtert auf. Sie achtete darauf, leise zu sprechen. Selten sah man sie so angespannt. “Dieser Mann … er kam hier einfach mit dem Adler herein … auf seinen Armen! Ich wusste nicht, was ich tun sollte, so wie er ihn hält …”
    Harris nickte kurz. Er kannte die Gefahren genau. Der alte Mann hatte mit einer Hand die Beine des Adlers umfasst, und das war gut, aber er hielt das Tier einfach zu nah an seinem Körper und seinem Gesicht.
    Sherry schlüpfte aus der ledernen Schutzkleidung und den langen Handschuhen und reichte sie Harris. Die ganze Zeit über ließ sie den Vogel nicht aus den Augen. Während Harris die Schutzausrüstung überstreifte, begutachtete er den Adler mit geschultem Blick. Sie hatten es hier mit einem sehr großen Tier zu tun, mit glänzendem Gefieder und offensichtlich in guter Verfassung, bevor er angeschossen worden war. An den weißen Federn am Kopf konnte man erkennen, dass es sich um ein ausgewachsenes Exemplar handelte, wenigstens fünf Jahre alt.
    “Entschuldigen Sie? Sind Sie der Doktor?” fragte der alte Mann. Sein längliches, wettergegerbtes Gesicht war von Sorge gezeichnet. Er benahm sich zurückhaltend, war fast gänzlich in verwaschenes Schwarz gekleidet, und trotz seiner großen, knorrigen Hände hielt er den Adler fast so zärtlich und behutsam wie eine Krankenschwester einen Säugling. Entweder ist er ein mutige, alter Hase, oder er weiß nicht, welchen Gefahren er sich gerade aussetzt, dachte Harris. Wenigstens hatte er die Klauen fest im Griff.
    “Ja, das bin ich. Aber sprechen Sie jetzt nicht. Menschliche Stimmen ängstigen wilde Vögel, und im Moment wollen wir nichts weniger, als diesen alten Jungen noch mehr aufzuregen.”
    “Mädchen.”
    Harris verengte die Augen. Wenn er die Größe des Vogels in Betracht zog, konnte der alte Mann Recht haben. “Ich muss den Adler aus Ihren Armen holen.
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