Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen
Autoren: Mary Monroe
Vom Netzwerk:
warten”, sagte er kurz, drehte sich dann um und trug den Vogel hinein.
    Die Sonne ging schon unter, als Harris seinen Dienst beendete. An diesem Tag war ungewöhnlich viel los gewesen. Zwei Streifenkäuze und ein Rabengeier waren mit Kopfverletzungen eingeliefert worden, die sie von Zusammenstößen mit Autos davongetragen hatten – das Ergebnis des starken Ferienverkehrs. Nach der Operation waren die Vögel auf die Intensivstation verlegt worden. Er war ein kleiner schmaler Raum direkt neben dem Behandlungszimmer, der zwei lange Regale enthielt, auf denen zwei Reihen Käfige aufgestellt waren. Jeder davon war mit Stoff ausgelegt, der für Dunkelheit und Ruhe sorgen sollte. Stress in Gefangenschaft konnte für wilde Vögel tödlich sein, und das Vogelzentrum tat alles, um die Gefahren für die Tiere zu minimieren.
    Bevor Harris das Gebäude abschloss, sah er noch einmal nach dem Adler. In der Dunkelheit seines Käfigs lag das Tier auf der Seite, noch benommen von den Betäubungsmitteln. Die Schrotkugeln, die ihn getroffen hatten, hatten ihn ernsthaft verletzt. Einige Kugeln hatten an sehr kritischen Stellen in seinem Körper gesteckt. Außerdem hatte das Tier Kopfverletzungen erlitten, als es zu Boden fiel. Ob es jemals wieder würde jagen können, musste die Zeit zeigen.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, als er den Behandlungsraum verließ. Sein Rücken schmerzte vom stundenlangen Stehen am Operationstisch. Jetzt wünschte er sich nichts mehr, als aus seinem dreckigen Flanellhemd und seiner Jeans zu schlüpfen, seine Wanderstiefel in die Ecke zu feuern, eine Dusche zu nehmen, einen Happen zu essen und dann endlich ins Bett zu fallen. Das Telefon schwieg glücklicherweise, und er wollte Feierabend machen. Gähnend ging er an seinem Büro vorbei und sah den alten Mann noch immer dort sitzen. Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und drehte seinen Hut nervös in den Händen. Als Harris ins Zimmer trat, sprang er auf.
    “Wie geht es ihr?”
    “Für einen Vogel, dem man einen Eimer voll Schrotkugeln aus dem Leib operiert hat, geht es ihr erstaunlich gut. Es war eine langwierige Prozedur.” Er schüttelte den Kopf. “Aber ich muss Ihnen sagen, obwohl sie einige ernste Schusswunden hatte, war doch kein Knochen gebrochen. Ich dachte, das Tier hätte mindestens einen Knochenbruch im Flügel, aber ich habe mich geirrt. Der Adler hat wirklich großes Glück gehabt.”
    “Gott sei Dank!” seufzte der Mann.
    “Ich denke, ein Teil des Dankes gebührt auch Dr. Henderson”, mischte sich Sherry gut gelaunt ein, die in diesem Moment in Harris’ Büro trat. Sie hatte ihr dunkles Haar, das von hellen Strähnen durchzogen war, unter einer Strickmütze verborgen und zog sich ihren Parka an, während sie zum Abmeldebogen ging.
    “Kein Zweifel, kein Zweifel. Und ich bin dankbar. Ich weiß nicht genau, wie ich das wieder gutmachen soll. Aber als ich hier saß und wartete, dachte ich … dass ich vielleicht hier aushelfen könnte. Es müssten einige Reparaturen gemacht werden. Und ich bin ein guter Zimmermann.”
    “Sie müssen das nicht wieder gutmachen”, platzte Sherry heraus. “Dafür sind wir ja da – um kranken, verletzten Vögeln zu helfen.”
    “Aber das ist ja nicht irgendein Vogel. Das ist
mein
Vogel.”
    Sherry hielt inne und sah Harris an. Er konnte in ihren Augen die Frage lesen, die ihm selbst gerade durch den Kopf schoss. Adler waren eine gefährdete Spezies, die von der Regierung der Vereinigten Staaten geschützt wurde. Niemand konnte einen Adler in irgendeiner Form besitzen. Sogar sie selbst, als Raubvogel Center und Klinik, waren angewiesen, einen Adler nicht länger als neunzig Tage bei sich zu behalten. Für eine Verlängerung des Aufenthaltes brauchten sie eine staatliche Genehmigung.
    “Entschuldigen Sie, aber ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen”, sagte Harris.
    “Mein Name ist Elijah. Elijah Cooper”, antwortete der Mann, streckte die Schultern und reichte Harris höflich die Hand. “Aber die meisten Leute nennen mich Lijah.”
    Harris schüttelte seine Hand. Sie fühlte sich groß und überraschend stark an.
    “Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten, Lijah”, unterbrach Sherry. Ihre Augen funkelten hinter der Brille, sie freute sich auf die Ferien und konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. “Dir natürlich auch, du Kauz”, sagte sie zu Harris und umarmte ihn kurz, aber herzlich. “Ich habe für Marion und dich eine Kleinigkeit unter den Baum gelegt”,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher