Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexenhatz im Monsterland

Hexenhatz im Monsterland

Titel: Hexenhatz im Monsterland
Autoren: Craig Shaw Gardner
Vom Netzwerk:
 
Kapitel Eins
     
     
›Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.‹
    – Worte (einer apokryphen Überlieferung zufolge die letzten), die Ebenezum, der mächtigste Zauberer der Westlichen Königreiche, in jener denkwürdigen Situation sprach, als ihn König Snerdlot der Rachsüchtige in einer intensiven und überaus intimen Besprechung mit seiner Gattin, Königin Vivazia von Humboldt, überraschte. Unglücklicherweise sind die darauffolgenden Passagen der Unterhaltung, die Bemerkungen des Königs zu seiner Assassinengarde sowie die Erwiderung des Zauberers, während er in seinem Nachtgewand die Brustwehr von Burg Humboldt herunterkletterte, der Nachwelt unwiederbringlich verlorengegangen.
     
    Es war einmal in einem fernen, fernen Land. Dort zog ein junger Bursche durch die Lande, um die Welt kennenzulernen. Und der Name dieses jungen Mannes war Wuntvor. Unser Wuntvor wollte ein großer Abenteurer werden und an jenen fernen Ort gelangen, von dem aus die liebe Sonne jeden Morgen ans Firmament steigt. Die ganze lange Zeit über, als Wuntvor dem Mannestum entgegenwuchs, blickte er jeden Morgen aus seinem Schlafkämmerlein und wartete auf die Dämmerung, um die Sonne aufgehen zu sehen. Und bald schon hielt er die Sonne für seinen Freund und stellte sich vor, der flackernde Feuerball würde ihm zuwinken und ihn, Wuntvor, einladen, sein fernes Heim zu besuchen.
    So kam es also, daß Wuntvor seine Heimat verließ und gen Osten zog. Er wanderte einen um den anderen Tag, und die Tage wurden zu Wochen, doch Wuntvor verzweifelte nicht, denn er war jung und sein Herz rein. Und die Wochen wurden zu Monaten, und immer noch war unser Wuntvor auf Wanderschaft, denn er wußte – auch wenn die Sonne ihm kein bißchen näher zu sein schien als zu Beginn seiner Reise –, daß er sein Ziel erreichen würde, wenn er es nur lange und zielstrebig genug versuchen würde.
    Dennoch war sein Weg lang und ermüdend, und es gab Hügel und Berge, die bestiegen werden mußten, und manchen Fluß oder gar Ozean, der durchquert sein wollte. Selbst ein Bursche mit einem so jungen und reinen Herzen wie unser Wuntvor konnte sich nicht enthalten, von Zeit zu Zeit den Sinn seines Begehrens in Zweifel zu ziehen. So war es auch an jenem ganz bestimmten Abend, als sein Freund, die Sonne, den Weg von ihrem Heim im Osten zu ihrer Ruhestätte im Westen vollständig zurückgelegt hatte. Wuntvor war müde von des Tages Marsch und schlug sein Lager in einem einsamen Tal am Ufer eines munter plätschernden Bächleins auf. Er legte seine Schlafmatte aus und verspeiste ein karges Nachtmahl aus hartem Brot und trockenem Käse und lauschte dem Zwitschern der Vöglein über seinem Haupte.
    »Ach und Weh«, so sprach er, mehr zu sich als zu den Vöglein, »soll ich denn nie der Sonne Heim finden?«
    Und eine Stimme antwortete ihm:
    »Hör mal, warum solltest du das überhaupt?«
    Wuntvor erschrak zutiefst. Dann bemerkte er, daß die Stimme von einem kleinen Männlein kam, das neben seinem Knie stand. Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, erwiderte Wuntvor:
    »Ich habe seit meiner Kindheit davon geträumt. Es ist mein Herzenswunsch.«
    »Wirklich?« fragte das Männlein, das ganz in Braun gekleidet war und ein Paar durchscheinend brauner Flügel sein eigen nannte. »Nun denn, du bist an den richtigen Ort geraten.«
    »An welchen Ort genau bin ich denn geraten?« bohrte Wuntvor rasch nach.
    »Nun«, ließ sich der Kleine vernehmen und grinste breit, »du bist im F-f-f-eenla…, also, du bist natürlich im Märchenland.« Er schien gewisse Probleme mit der Aussprache zu haben.
    »Gewiß doch«, stimmte Wuntvor ihm zu. »Aber dies ist das Land der Feen. Wer bist denn du, zum Teufel?«
    »Tja, also, ich bin…« Das Männlein hielt wieder inne und runzelte die Stirn. »Wenn dies hier das Land der F-f-fee…« Wieder eine Pause. Seine Gesichtsfarbe hatte sich zu einem leuchtenden Blau gewandelt. Er holte tief Atem und setzte erneut an. »Wenn dies hier das F-f-f…, also dieser besagte Ort ist, dann müßte ich eigentlich eine F-f-f…« Seine beiden Fäustchen schossen protestierend in die Höhe. »Bin ich aber nicht. Nein und nochmals nein! Ich bin keine solche Kreatur. Ich bin ein Schuhbert! Und ich bin stolz darauf! Mehr als stolz sogar! In der Kürze liegt die Würze! Schuhberts – hoch soll’n sie leben! Hoch, hoch, hoch!«
    Wuntvor blinzelte. Irgend etwas war hier faul. Eine ältere Dame stürmte den Hügel hinunter. Sie sah nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher