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Der Tod trägt dein Gesicht

Der Tod trägt dein Gesicht

Titel: Der Tod trägt dein Gesicht
Autoren: Ginna Gray
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1. KAPITEL
    E r war hinter ihr her.
    Sie konnte spüren, wie er näher kam. Er wollte sie umbringen.
    Sie preschte durch das Dickicht. Tiefe Äste und Dornensträucher verhedderten sich in ihrer Kleidung und in ihrem Haar, aber sie bemerkte es kaum.
    Sie rannte einfach drauflos. Sie sprang über Baumstämme, die am Boden lagen, und schlug sich durch Büsche. Sie lief mit dem Einsatz ihres ganzen Körpers. Jeder Muskel war angespannt. Nach einigen Schritten warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter. Die Luft, die in ihre Lungen ein- und ausströmte, brannte in ihrem Hals. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Entsetzen packte sie. Sie war kurz davor, in Panik auszubrechen.
    Nein. Nein, das durfte sie nicht zulassen, ermahnte sie sich, während sie einen dornigen Ast zur Seite schlug. Sie musste die Nerven behalten. Sie
musste
einfach.
    Sonst würde sie sterben. Wie diese anderen armen Frauen. Jeden Abend hatte sie die Berichte über die Morde in den Nachrichten gesehen. Der Mörder dieser Frauen und der Mann, der sie verfolgte, waren ein und derselbe.
    Er war krank. Er liebt es, daraus eine Art Sport zu machen, kam ihr in den Sinn. Ohne langsamer zu werden, duckte sie sich unter einem tief herabhängenden Ast. Der Mann lockte seine Opfer mit der Chance, entkommen zu können, auch wenn sie noch so klein war. Verdammter Perverser!
    Er wird den Tag noch bereuen, an dem er mich aufgespürt hat, schwor sie sich und versuchte nach Kräften, ihren Mut zusammenzunehmen. Dieses Mal hatte er sich die Falsche ausgesucht. Sie war keine von diesen flatterhaften Schwächlingen, die draufgingen, ohne zu kämpfen.
    Sie presste die Zähne aufeinander, während sie über ein trockenes Bachbett sprang. Den stechenden Schmerz, der sich in ihrem Fußknöchel ausbreitete, ignorierte sie. Er glaubte wohl, er könne ihr eine Minute Vorsprung geben, um sie dann wie ein Tier zu jagen, was? Na, da würde sie ihn aber überraschen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie mit ihrem Vater und ihren Brüdern in diesem Wald gejagt. Sie kannte sich hier ebenso gut aus wie der Killer. Vielleicht sogar noch besser.
    Die anderen Frauen waren kopflos umhergerannt. Sie hatten weder gewusst, wohin sie liefen, noch, wie sie ihrem Verfolger entkommen konnten.
    Sie nicht.
    Sie hatte einen Plan.
    Natürlich fürchtete sie sich zu Tode. Aber sie war außerdem extrem wütend. Ihre einzige Chance bestand darin, beides für sich auszunutzen, die Angst und die Wut. Sie musste es versuchen. Herrgott, sie
musste
es einfach versuchen!
    Sie rannte noch tiefer in den Wald hinein, der sich den Berg hinaufzog. Es war anstrengend. An einigen Stellen war die Steigung gering, an anderen konnte sie die steilen Strecken nur bewältigen, indem sie nach Büschen und Ästen griff, um sich daran hochzuziehen. Aber das Adrenalin gab ihr Kraft. Als sie ungefähr eineinhalb Kilometer vorangekommen war, steuerte sie in einem großen Bogen nach links.
    Nach einer Weile fand sie, wonach sie gesucht hatte. Sie sprang in den flachen Bergbach, dann wandte sie sich wieder nach links und rutschte im Wasser den Hang wieder hinab.
    Sie war nicht so dumm zu glauben, dass ihre Taktik den Mann längere Zeit an der Nase herumführen würde. Aber wenn sie Glück hatte, würde er einige Minuten brauchen, um sie wieder einzuholen. Wahrscheinlich nahm er an, dass sie desorientiert durch den Wald lief wie die anderen Frauen auch. Vielleicht hatte er nicht mitbekommen, dass sie wieder auf dem Weg zurück war.
    Jedenfalls würde er es nicht bemerken, bis sie sich wieder auf dem Forstweg befand. Zwar könnte man sie dort sehen, und es gab wenig Fahrzeuge, die diese Straße befuhren, besonders so früh am Morgen, aber wenigstens kam sie dort ein gutes Stück voran.
    Als sie auf der Fläche des Lastwagens von ihrem Entführer lag, hatte sie die Male gezählt, die er herunterschalten musste, als er die Schotterpiste hinauffuhr. Und sie wusste, dass sie sich nur drei Kurven außerhalb der Stadt befanden, vielleicht war sie hier sogar noch innerhalb der Stadtgrenzen.
    Als er am Straßenrand anhielt und sie aus dem Wagen holte, hatte sie zwischen den Bäumen die Kirchturmspitze der Ebenezer Baptistengemeinde und die vergoldete Kuppel der First National Bank gesehen. Auf beiden lag Frost, der im Morgenlicht glänzte. Beide Gebäude lagen am östlichen Rand von Mears. Genauso wie das Polizeirevier.
    Der Weg in die Stadt führte den Berg hinunter. Wenn sie auf der Innenseite der Kurven lief, würde man sie von
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