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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Ruben sich darauf, wieder im Raum zu hantieren. Andererseits erforderte wenigstens das, was jetzt unmittelbar bevorstand, keinerlei Denken, nicht einmal viel Aufmerksamkeit, nur Bereitschaft und eventuell ein bißchen Geschicklichkeit im Umgang mit Plastpflaster, Schweißgerät und Spritzpistole. Dazu brauchte man höchstens den Grundlehrgang für Montage, genaugenommen nicht einmal den. Aber er war hier mit sich allein, und falls er Lust haben sollte, sich selbst einen Vollidioten zu nennen, würde das niemanden belästigen. Und schließlich hatte er alles so gewollt.
    Mit einem Handgriff koppelte Ruben seinen Feuerstuhl an das Mittelstück des ersten von vier Sonnenkollektoren, den er entkonservieren sollte und der jetzt, im zusammengefalteten Zustand, wie eine riesige Ananas aussah. Nun folgte das einzige, was man bei der ganzen Operation mit ein bißchen gutem Willen als Arbeit bezeichnen konnte: Er mußte die Ananas um hundertachtzig Grad drehen, bis der Strunk, an dem er jetzt hing, der Sonne abgewandt war, dann würde die Sonnenwärme den Kollektor zu einem Hohlspiegel von hundert Kilometer Durchmesser entfalten. Nach dem Drehen mußte er so schnell wie möglich die Ananas in bezug auf die zentrale Anlage justieren; wenn der Gasdruck erst den Schirm entfaltete, war der Kollektor nicht mehr sehr stabil.
    Drehen, auspendeln, justieren am Meßlaserstrahl der hundert Kilometer entfernten zentralen Anlage, dann abkoppeln – fünf Minuten. Nun begann das Warten. Er verband seinen Feuerstuhl mit der Beobachtungsautomatik des Zollstocks, die ihm melden würde, wenn irgendwo am Schirm etwas zu reparieren wäre, und nahm erst mal, da er nun schon im Schatten des sich entfaltenden Schirms stand, den Blendschutz aus dem Helmvisier.
    Nun also, warum hast du dich auf diese Arbeit an der Anlage Blastron I eingelassen, Ruben Madeira, du Schaf? Schaf ist schon versöhnlicher, stellte er belustigt fest, auch ähnlicher: Schaf steht auf der Wiese und zupft Grashalme, hier einen, da einen, und er steht auf der Himmelswiese zwischen Venus- und Merkurbahn und klebt – vielleicht – Löcher zu, hier eins und da eins. Aber war er nicht mit ganz anderen Vorstellungen und Absichten vom Minos zurückgekehrt, dem größten der noch nicht lange bekannten äußeren Planeten jenseits des Pluto? Hatte er, der Entdecker des erdähnlichen Minosmondes Esther – der Name stammte von ihm –, nicht vorgehabt, all seine Autorität dafür einzusetzen, daß sein Vorschlag, diesen Mond zu besiedeln, mindestens ernsthaft erwogen wurde?
    Da, die Automatik zeigte einen Fehler an und hatte auch schon den Feuerstuhl programmiert; mit einem gar nicht sehr sanften Stoß setzte er sich in Bewegung. Noch war der Schirm nicht sehr weit aufgerollt, ein paar Kilometer waren es nur bis zu der defekten Stelle, ein Minimeteorit war wahrscheinlich verglüht und hatte einen zehn Zentimeter langen Riß erzeugt, kein Problem, er brauchte nur zu hinterpflastern, der Spiegelverlust auf der anderen Seite der Folie war so minimal, daß es sich nicht lohnte, ein neues Stück einzusetzen. Er erledigte das und ließ sich langsam zum Zentrum zurücktrudeln.
    Ja, der schöne Mond Esther. Hatte er den nun aufgegeben zugunsten der Frau und Kollegin Esther, die ihn geholt hatte für diese Aufgabe, die ja schon einmal auch die seine gewesen war – die Aufgabe, nicht die Esther, nein, die nicht, und sie würde es auch nicht werden. Hatte er wirklich aufgegeben? Gingen die größten Entwicklungen nicht immer kurvenreiche Wege? Konnte es sein, daß er sein Ziel, auf das er sich während der ganzen einjährigen Rückreise ausgerichtet hatte, jemals aus den Augen verlor? Er war ehrlich genug zuzugeben: Ja, das konnte sein, es war vorstellbar, daß das geschehen konnte, nach sehr langer Zeit vielleicht oder nach sehr erfüllter Zeit, wenn etwa diese damals stillgelegte Anlage jetzt die erwarteten oder noch besser unerwartete Ergebnisse liefern würde – und hatte nicht gerade diese Unsicherheit ihn gereizt? Diese Prüfung einer Idee durch längere Nichtbeachtung? Würde es denn in dieser Zeit der Harmonie und der Stabilität menschlicher Verhältnisse überhaupt genügend Leute geben, die die Erde verlassen und auf so sehr unsicherem Boden siedeln würden? Jetzt, da die Menschheit sich hauptsächlich mit Kunst und Kultur beschäftigte und schon die Wissenschaftler fast wie Sonderlinge wirkten, weil sie häufig von ihrem künstlerischen Beruf um der Forschung willen Abstriche
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