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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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von dem wirklichen Geschehen. Deshalb fragte Pauline auch nicht weiter, sondern überlegte: Acht Uhr? Wer konnte da etwas gesehen haben? Die Kinder! Richtig, Marta wollte doch heute mit ihrer Klasse zum Mückentümpel, vielleicht sollte sie gleich… Im Dauerlauf war sie in einer Viertelstunde dort, in einer halben Stunde zurück…
    „Wenn die Ratgeberin anruft, sagt ihr bitte, ich bin in einer halben Stunde wieder da!“ bat Pauline. Dann setzte sie sich in Trab. Eine Zeitlang konnte sie einer guterhaltenen Schneisefolgen, dann aber wurde es schwieriger, Büsche waren in den Trampelpfad hineingewachsen, Zweige hingen tief – sie mußte sich, wenn sie ihr Tempo nicht mindern wollte, immer wieder blitzschnell bücken oder zur Seite ausweichen. Das machte ihr Spaß, sie spürte in ihren Bewegungen eine Leichtigkeit, die ihr sonst fehlte.
    Leichtfüßig liefen auch ihre Gedanken. Um acht Uhr hatte Otto im Stall arbeiten wollen, am E-Mikroskop, also wäre er wohl spätestens um drei Viertel acht aus dem Haus gegangen. Demnach war es wohl bis zu diesem Zeitpunkt geschehen. Der Täter, wenn es einen gab, müßte vor acht das Haus verlassen haben. Jetzt war es nötig, die Zeit von der andern Seite her zu begrenzen. Wenn sie Glück hatte – ach, was hieß hier Glück! –, also, vielleicht hatten Marta oder die Kinder etwas gesehen.
    Schon von weitem hörte Pauline die Stimmen der Kinder. Dann rief die Lehrerin: „Hallo, wer ist denn da!“ Die Stimme schien von oben zu kommen. Pauline sah hinauf: Halbhoch im Geäst eines Baumes saß Marta und animierte von dort aus einen zaghaften Jungen, ihr nachzuklettern.
    Die anderen Kinder, Neun- und Zehnjährige, waren eifrig am Werk. Drei standen mit Gummistiefeln und Keschern am Rande des Tümpels, zwei saßen am Campingtisch und bedienten ein Mikroskop.
    Die drei vom Tümpel kamen in ihren Gummistiefeln herangestapft, nur die zwei am Mikroskop lösten sich sichtlich ungern von ihrer Tätigkeit. Alle gaben Pauline die Hand. Eibners Zwillinge sagten wie immer bei solchen Gelegenheiten ihre Vornamen, damit man sie auseinanderhalten konnte. Nur Bachmanns Fritz fragte mit dem herausfordernden Witz der Halbwüchsigen: „Jagen Sie den Übeltäter, der die Schweißsocke in den Wald geworfen hat, um die Ameisen zu vergiften?“ Alle lachten, und Marta, die inzwischen heruntergeklettert war, schickte sie wieder an die Arbeit.
    Zu anderer Zeit hätte sich Pauline darüber geärgert, daß ihr so schnell keine lustige Antwort einfiel. Jetzt aber hatte sie ganz ernsthaft nein gesagt, doch die Kinder hatten auch das lustig gefunden.
    „Was macht dein Vater, hat er die Prüfungen bald hinter sich?“ fragte die Lehrerin.
    Pauline hatte die Frage erwartet. Vater war jetzt Anfang Fünfzig, er wollte auch Lehrer werden wie Marta. Die Prüfungen erstreckten sich über zwei Jahre, aber er hatte die meisten bereits mit Erfolg hinter sich gebracht, und Pauline konnte stolz auf ihn sein, nicht alle kamen so weit.
    Die Antwort ließ wohl zuwenig davon merken, denn die Lehrerin fragte beunruhigt: „Du hast doch einen bestimmten Grund, daß du hierhergekommen bist?“
    „Habt ihr heute morgen jemanden gesehen, als ihr losgegangen seid?“
    „Gesehen? Ja, den Mohr-Otto, er hat uns noch zugewinkt!“
    „Von wo aus? Was hatte er an? War er allein?“
    „Natürlich war er allein. Von wo aus? Aus dem Fenster zum Garten hat er geguckt, wir sind den Trampelpfad entlanggekommen. Was er anhatte? Ich glaube, Stallkleidung.“
    „Und wann? Wann war das?“
    „Wir sind ein bißchen später los, weil bei Bachmanns gerade die Kuh gekalbt hat, da hab ich die Kinder gleich zugucken lassen, also das war – das muß so gegen drei Viertel neun gewesen sein.“
    Alles umsonst, dachte Pauline enttäuscht, meine Zeit stimmt nicht! Wenn er um acht im Stall sein wollte, aber um drei Viertel neun noch zu Hause war…
    „Etwas Schlimmes?“ fragte die Lehrerin.
    „Ja, Otto ist gestorben“, antwortete Pauline. Plötzlich hatte sie es eilig. „Danke für die Auskunft!“ sagte sie, und dann rief sie: „Wiedersehen, Kinder!“ Und sie setzte sich wieder in Trab.

    Mit zwiespältigem Gefühl verließ Ruben Madeira das Raumschiff VR III, genannt „der Zollstock“. Letzteres war selbstverständlich ein Spitzname, und er rührte nicht etwa von der Form des Schiffes her, sondern von seiner ursprünglichen Bestimmung. Es hatte anfangs als Vermessungsraumschiff gedient, und der Name hatte sich vererbt.
    Einerseits freute
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