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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier
Autoren: Jutta Profijt
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womit seine Schwester ihr Geld verdiente?«, fragte Martin.
    »Natürlich nicht«, rief Olli. »Er hätte sie umgebracht. Und mich gleich dazu.«
    |247| »Wie hat denn der Bruder erfahren, dass Semira tot ist?«, fragte Martin.
    Olli ließ sich kraftlos und erschüttert auf einen Mauervorsprung sinken. »Ich habe natürlich ein Foto von der Leiche im Kofferraum
     gemacht, weil ich den Typ nicht ungestraft davonkommen lassen konnte«, begann er. »Sjubek hat das Foto entdeckt.«
    »Und?«, fragte Martin.
    »Na, was wohl? Er wollte sich natürlich rächen und den umbringen, der seine Schwester umgebracht hat«, sagte Olli in einem
     Tonfall, als müsse er einem kleinen Kind zum wiederholten Male erklären, dass man sich die Marmelade aufs Brot und nicht in
     die Handfläche schmiert.
    »Und Sie wollten natürlich nicht, dass Sjubek Dr. Eilig umbringt?«, fragte Martin süffisant.
    Zum Glück hatte Olli für solche Feinheiten zurzeit keinen Sinn, sonst hätte er sich vielleicht provoziert fühlen können. »Natürlich
     nicht«, sagte Olli. »Ich wollte den Typ ja erpressen. Aber von Toten gibt’s keine Kohle. Logisch, oder?«
    Martin nickte. Ich konnte spüren, dass er ernsthaft an seiner geistigen Gesundheit zu zweifeln begann. Da stand er auf einer
     Industriebrache einem fetten Autoschieber gegenüber, der ihm erklärte, dass es vollkommen logisch sei, einen Mord zu verhindern
     – allerdings nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern um das potenzielle Mordopfer lieber zu erpressen. Martin fragte sich,
     wer hier eigentlich normal und wer bekloppt war.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum Pascha sterben musste«, sagte Martin, nachdem ich mich noch einmal in Erinnerung gebracht
     hatte.
    |248| »Sjubek war wie von Sinnen. Er musste den Tod seiner Schwester rächen und er brauchte einen Schuldigen.«
    »Seine Schwester starb aber an einer Haselnussallergie«, sagte Martin.
    »Ist doch jetzt egal«, winkte Olli ab. »Jedenfalls habe ich Sjubek gesteckt, dass Pascha seine Schwester auf dem Gewissen
     hat. Damit hatte ich Sjubek beschäftigt, er durfte seinen Rachegedanken ausleben und Pascha konnte mir nicht mehr in die Quere
     kommen. Ich bin davon ausgegangen, dass er von der Leiche im Kofferraum wusste. Er hätte ja auch selbst auf die Idee kommen
     können, den Typen zu erpressen.«
    »Wie praktisch«, sagte Martin. »Zwei lästige Fliegen mit einer Klappe erschlagen …«
    »Scheiße«, sagte ich. »Auf die Idee mit der Erpressung wär ich im Traum nicht gekommen.«
    Wir schwiegen alle einen Augenblick.
    »Und warum musste Sjubek sterben?«, fragte Martin.
    »Der Idiot hat einen Aufstand gemacht, weil wir die Leiche seiner Schwester haben verschwinden lassen«, sagte Olli. »Er wollte
     sie unbedingt ordentlich begraben.«
    Martin nickte, selbst ich konnte das verstehen. Olli offenbar nicht.
    »Als die Leiche auftauchte, weil der hirnamputierte Kevin sie einfach eingewickelt irgendwo abgeladen hatte, ist er zu den
     Bullen gegangen, um Semira in die Heimat überführen zu lassen, obwohl er keine ordentlichen Papiere besaß. Er hat sogar einen
     Knastaufenthalt und die Abschiebung riskiert wegen Semiras Beerdigung.«
    »Und dann erfuhr er im Institut, dass seine Schwester gar nicht umgebracht wurde?«, vermutete Martin. |249| Olli nickte. »Er kam zu mir und wollte eine Erklärung.« »Und dann haben Sie ihn umgebracht.«
    »Klar.«
    Das war ja alles sehr interessant, aber inzwischen musste doch selbst dem unbedarften Martin klar werden, dass er einem mehrfachen
     Mörder gegenüberstand, der ihm gerade alle Schandtaten haarklein beichtete – und dass es höchste Zeit war, die freundliche
     Unterhaltung zu beenden und sich in Sicherheit zu bringen!
    Martin hatte glücklicherweise endlich denselben Gedanken gehabt. Er machte einen unbeholfenen Schritt rückwärts.
    »Moment«, sagte Olli. »Der Koffer.«
    Martin reichte Olli den Koffer, den dieser mit der linken Hand nahm.
    Mit einer blitzschnellen Bewegung, die ich ihm nicht zugetraut hätte, stieß Olli plötzlich den rechten Arm vor. Den Bruchteil
     einer Sekunde konnte ich kalten Stahl blitzen sehen, dann verschwand der Stahl in Martins Dufflecoat ziemlich genau da, wo
     ich sein Herz vermuten würde. Olli wiegte den dicken Kopf. »Tut mir echt leid, Mann, aber Sie wissen viel zu viel.«
    Martin starrte den fetten Olli überrascht an.
    »Tut mir auch leid für Ihre Freundin«, sagte Olli. »Na ja, wenigstens hat sie ihren BMW zurück.« Er klang, als
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