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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier
Autoren: Jutta Profijt
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tun, als uns
     zu fragen, welche neuerlichen Idiotien der Hanswurst auf dem Kongress von sich gegeben hatte.
    »Dr. Eilig, im Volksmund genannt Dr. Heilig, ist päpstlicher als der Papst, lebt irgendwo im Bergischen, hat aber, wie jeder
     Zeitung lesende Mensch in dieser Stadt weiß, eine Wohnung in der Stadt, von der aus er den Dom sehen kann. Außerdem sammelt
     er Autos.«
    »Matchbox?«, fragte ich.
    »Nein, richtige«, entgegnete Martin. »Auf dieses Laster angesprochen, sagt er, jeder müsse ja eins haben, sonst wären wir
     Heilige und keine Menschen.«
    Hm.
    »Außerdem ist er verheiratet.«
    Ich hätte jetzt gern nachdenklich genickt, aber das ging natürlich nicht, also machte ich wieder »Hm«.
    »Denkst du, was ich denke?«, fragte Martin.
    »Ich denke schon«, sagte ich. »Wie erfahren wir, ob der Papst einen SLR hatte?«, fragte ich.
    »Die Zeitung«, sagte Martin. »Wenn der Papst SLR fährt, wissen die das.«
    Er holte sein Mobiltelefon heraus, wählte aus dem Kopf eine Nummer und meldete sich mit seinem Namen und dem Hinweis auf die
     Rechtsmedizin.
    |235| »Nein, es gibt gerade keine interessante Leiche, jedenfalls nicht von meiner Seite«, sagte er, wohl auf eine entsprechende
     Frage. »Diesmal habe ich eine Frage, die für mich privat von Interesse ist. Ich bin nämlich eine dumme Wette eingegangen und
     hätte gern die Bestätigung, dass ich gewonnen habe.«
    Er lauschte einen Moment und lachte dann. »Also: Hat Dr. Eilig, den wir alle nur noch Dr. Heilig nennen, einen Mercedes SLR?«
    Martins Gesicht wurde lang. »Nein? Sind Sie sicher?«
    Die vor Enttäuschung nach unten gesunkenen Mundwinkel schnellten nach oben.
    »Bestimmt? Na, da bin ich aber erleichtert.«
    Er lachte noch einmal, versprach, offizielle Pressemitteilungen weiterhin an die bekannte E-Mail-Adresse zu senden, und legte
     auf.
    »Er ist freier Mitarbeiter beim Kölner Stadtanzeiger und schuldet mir diverse Gefallen«, erklärte Martin mit sehr zufriedenem
     Gesichtsausdruck. Ich wunderte mich, denn ich hätte gar nicht gedacht, dass er diese Art von Schuldenkonto führt. Wieder hatte
     ich mich in ihm getäuscht, wieder hatte er mich überrascht. Ich sollte mich langsam daran gewöhnen, dass außerhalb des Milieus,
     in dem ich mich die letzten Jahre herumgetrieben hatte, die Menschen vielschichtig und interessant sein konnten. Eigentlich
     spannend, die Welt so zu sehen. Selbst Frauen waren hier nicht nur Betthäschen, sondern Menschen mit Intellekt und Persönlichkeit.
     Okay, so weit war ich noch nicht, aber bei Martin rechnete ich inzwischen mit allem.
    »Eilig besaß einen SLR, der aber seit ungefähr zehn Tagen nicht mehr gesehen wurde. Auf Nachfragen eines |236| Journalisten soll er vor drei Tagen erklärt haben, er habe von einem ausländischen Interessenten ein hervorragendes Angebot
     für den Wagen erhalten und ihn daraufhin verkauft.«
    »Spätestens jetzt brennen bei mir alle Warnlampen«, sagte ich.
    »Genau«, sagte Martin mit vor Aufregung kieksender Stimme. »Wir haben ihn.« Er hatte laut gesprochen. Und er wiederholte noch
     einmal: »Wir haben das Schwein.«

|237| NEUN
    Wir fuhren zu Eiligs Kölner Adresse, die Martin von einem anderen Journalisten erfragt hatte, damit sein plötzliches Interesse
     an dem Mann nicht auffiel. Das Haus, in dem seine Wohnung lag, beherbergte sechs Apartments von je siebzig Quadratmeter, wie
     dem Plakat zu entnehmen war, das auch die beiden leer stehenden Wohnungen anpries. Es handelte sich um Eigentumswohnungen,
     aber das überraschte uns nicht. Wenn man aus der Aufteilung der Klingelschilder auf die Aufteilung der Wohnungen schließen
     durfte, dann lag Eiligs Wohnung im ersten Obergeschoss rechts. Martin bezog Stellung im Auto vor der Haustür, ich umrundete
     das Haus und hatte einen herrlichen Blick durch die riesige Glasfront ins Wohnzimmer, in dem Eilig in einem tiefen Ledersessel
     saß und ins Leere starrte. Genau genommen starrte er auf die Flachbildglotze, die in seiner Blickrichtung an der Wand hing,
     aber der Fernseher war ausgeschaltet und ich vermutete nicht, dass Eilig den dunklen Bildschirm anstarrte.
    In seiner linken Hand hielt er ein Glas, in dem drei angeschmolzene Eiswürfel schwammen. Entweder vermisste |238| der Kerl sein Auto mit einer Sehnsucht, die einem leid tun konnte, oder er hatte ein anderes Problem. Ich tippte auf Letzteres
     und ich hatte auch schon so eine Idee. Wenn man erst das Callgirl, das zur persönlichen Stimmungsaufhellung bestellt
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