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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier
Autoren: Jutta Profijt
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wurde,
     elend krepieren sieht, sich dann entscheiden muss, es unauffällig verschwinden zu lassen, dazu das geilste Auto der Welt missbrauchen
     muss und einem dieses Geschoss mitsamt der Leiche im Kofferraum geklaut wird, dann hat man bereits einen guten Grund, trübsinnig
     zu sein. Wenn man dann noch den Autodieb ermorden muss, damit auch nur ja kein Sterbenswörtchen über die Kofferraumleiche
     in die Öffentlichkeit dringt, dann wäre das in meinen Augen Grund genug, tagsüber mit einem Drink in der Hand ins Leere zu
     stieren. Das fand Eilig offenbar auch. Er regte sich nicht.
    Ich berichtete Martin über meine Beobachtungen und er war zufrieden, dass Eilig zu Hause war. Alles andere interessierte ihn
     weniger.
    Ich zischte wieder zum Wohnzimmerfenster und hielt entsetzt inne. Der Sessel war leer. Nach einer Schrecksekunde sah ich Eilig
     am Regal stehen. Er legte gerade den Telefonhörer auf, drehte sich um, griff nach einem Aktenkoffer, der neben dem Sessel
     gestanden hatte, und verließ das Wohnzimmer.
    Ich raste zurück zu Martin, berichtete ihm von meinen Beobachtungen und war gerade fertig, als die Ampel an der Tiefgaragenrampe
     rot zu blinken begann. Ein Jaguar mit getönten Scheiben verließ die Tiefgarage. Wir konnten zwar den Fahrer nicht erkennen,
     gingen aber beide automatisch davon aus, dass Eilig in dem Wagen saß, und folgten ihm. In der Ente. Zum Glück waren die Straßen
     voll, |239| die Ampelschaltungen spielten »rotes Stoppschild« statt »grüne Welle« und so war unser Tretauto tatsächlich in der Lage, diese
     Verfolgungsjagd zu bestreiten.
    Eilig fuhr unkonzentriert, was alle möglichen Ursachen haben konnte, nicht zuletzt einen gewissen Alkoholspiegel, wenn man
     an das Glas mit den Eiswürfeln dachte. Während wir ihm folgten, spielten wir heiteres Rätselraten. Wohin fuhr er? Und warum?
     Erst dachten wir, er fahre in sein Abgeordnetenbüro, immerhin hatte er einen Aktenkoffer dabei, aber die Richtung stimmte
     überhaupt nicht. Dann näherte er sich dem Viertel, in dem Semira gewohnt hatte, aber das machte nun gar keinen Sinn, und letztlich
     fuhr er auch einfach weiter nach Osten, Richtung Rhein. Martin war aufgedreht wie eine Weiberlocke an Heiligabend. Er fuhr
     hektisch, redete ununterbrochen irgendwelchen Schwachsinn und zog ungefähr siebzehnmal die Nase hoch. Dabei lief sie gar nicht.
     Reine Nervensache. Machte mich rasend. Ich hasse es, wenn Leute die Nase hochziehen. Ja, meine Manieren waren auch nicht immer
     die besten, aber die Nase habe ich mir immer geputzt, das ist das Mindestmaß an Zivilisation, das ich mir mein Leben lang
     erhalten habe. Ich bat ihn, aufzuhören. Er sagte: »Ja, natürlich« und zog die Nase hoch. Bemerkte es nicht einmal. Ich unterdrückte
     meinen Ekel und ließ ihn in Ruhe, um ihn nicht noch nervöser zu machen. Immerhin musste er auf den Jaguar achten, auf die
     Straße schauen, den Verkehr berücksichtigen und an roten Ampeln halten, auch wenn der Jaguar gerade noch bei Gelb durchgehuscht
     war. Aber an der folgenden Ampel holten wir ihn immer wieder ein, das ist ja der Vorteil der eigentlich vollkommen irrsinnigen
     Ampelschaltungen.
    |240| Die Fahrt ging über den Rhein und Martin wurde noch nervöser, als er die Möglichkeit in Betracht zog, dass sein Tank bald
     leer sein könnte, aber so weit kam es nicht. Der Jaguar bog ab.
    Industriebrache ist ein Modewort, das ein Gelände beschreibt, auf dem früher ein Industriebetrieb stand, der fette Gewinne
     eingefahren, dabei aber leider den Boden und das Grundwasser verseucht hat, geschlossen wurde, verfällt oder schon verfallen
     ist und dessen ehemalige Eigentümer oder deren Erben nicht mehr auffindbar sind oder sein wollen, was dazu führt, dass die
     Allgemeinheit die Sanierung der Giftgrube am Bein hat. Auf so ein Gelände fuhr der schicke Jaguar.
    Martin setzte den Blinker, um ihm zu folgen, aber bevor er diese haarsträubend idiotische Idee umsetzen konnte, brachte ich
     ihn mit einer vorsichtig formulierten Frage davon ab.
    »Bist du völlig bescheuert?«, brüllte ich.
    Martin trat so fest er konnte auf die Bremse. Reiner Reflex.
    »Wir fallen auf wie der Weihnachtsmann in der Ostermesse, wenn wir jetzt hinter dem Jaguar herfahren«, sagte ich wieder in
     normaler Tonlage.
    »Ja, ich hab’s verstanden«, maulte Martin und zog die Nase hoch.
    »Wir müssen ihm unauffällig zu Fuß folgen«, sagte ich. »Stell die Karre ab und dann los.«
    Martin parkte die Ente auf dem
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