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Auf und ab - Mord in Hellwege

Auf und ab - Mord in Hellwege

Titel: Auf und ab - Mord in Hellwege
Autoren: Wilhelm Wuensche
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VORBEREITUNG
    Seine Geduld war am Ende.
    Langsam und umständlich faltete er die Zeitung, die er eigentlich hatte lesen wollen, zu einem flachen Schlaginstrument zusammen. › Friedensgespräche ‹ war auf der ersten Seite noch zu lesen, aber danach war ihm jetzt nicht zumute. Gewöhnlich brachte ihn nichts so schnell aus der Ruhe, doch dieses penetrante Insekt, das er als › Große Stubenfliege ‹ – Susanne hätte es wohl einfach › Brummer ‹ genannt – identifiziert hatte, wollte ihn diesen sonnigen Spätsommernachmittag anscheinend nicht genießen lassen.
    Er trug seine Sommeruniform: Einfarbiges, graues T- Shirt, kurz über dem Knie abgeschnittene alte Jeans, weiße Baumwollsocken und Turnschuhe, und dieses sechsbeinige Krabbeltier hatte schon allen unbedeckten Stellen seines Körpers unangenehm kitzelnd einen Besuch abgestattet. Wie ein Imker hatte er versucht, sich mit dem Rauch seiner Zigarette, den er auf das Biest blies, gegen es zu verteidigen. Aber auch das hatte nicht geholfen und es nicht vertreiben können. Er musste härtere Maßnahmen ergreifen.
    Maximilian Holten saß in einem bequemen Liegestuhl auf der Terrasse des Einfamilienhauses in Hellwege, das er, seine Frau Susanne und die Kinder seit vielen Jahren ihr Heim nannten, unter dem ausgebleichten weiß-roten Sonnenschirm. Er liebte diese warmen, windstillen Tage, wenn er draußen an der frischen Luft, von grünen Pflanzen und bunten Blüten umgeben, auf einem gemütlichen Platz in aller Ruhe die Zeitung studieren konnte.
    Bis auf das regelmäßige Geschrei der letzten Starenbrut, das unter dem Dach des Erkers bei jedem Auftauchen eines Elternvogels begann, das gelegentliche Brummen eines auf der Straße vorbeifahrenden Autos und das Surren und Rauschen der Rasensprenger in der Nachbarschaft war alles ruhig. Diese methodische sommerliche Grundwasserabsenkung gefiel ihm ganz und gar nicht, und deswegen hatte er eine eigene Art der extensiven Rasenpflege entwickelt, die ihm Arbeit ersparte und außerdem effektiv war: Er mähte und sprengte seinen Rasen während der heißen Zeit im Sommer nicht, und zum Erstaunen seiner Nachbarn behielten die Pflanzen und Grasflächen ihre grüne Farbe bis zum Herbst.
    Seine Frau hielt den pädagogischen Mittagsschlaf, und ihr jüngster Sohn, Robert, inzwischen bereits vierzehn Jahre alt, beschäftigte sich in seinem Zimmer anstelle der Erledigung seiner Hausaufgaben mit dem Computer.
    Sein Blick ging über den mit Löwenzahn übersäten Rasen, der sich nicht sehr weit bis zu den ihr Grundstück abgrenzenden Sträuchern erstreckte. Überall summte und brummte es, alle Falter, Schmetterlinge, Schwebfliegen und Bienen kümmerten sich nur um die bunten Blumen, doch dieses eine Untier interessierte sich ausschließlich für ihn. Holten hatte im Biologieunterricht gut aufgepasst und wusste natürlich, dass auch jedes Ungeziefer im Gefüge der Natur eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte, aber manchmal tat es ihm leid, dass Er es am fünften Tag nicht einfach vergessen hatte.
    Holten hatte den Tod der Fliege beschlossen.
    Warum auch konnte sie ihn nicht in Ruhe lassen? Er hatte geduscht, transpirierte nicht und hatte auch keinen besonders exotischen Duft aufgelegt.
    Dabei war seine Einstellung zum Töten von Tieren im Laufe seines Lebens immer negativer geworden. Als Junge hatte er ohne Zögern mit dem Luftgewehr eine Unzahl von Vögeln aus den umliegenden Obstbäumen auf dem Grundstück seiner Eltern geschossen. Er hatte damit aufgehört, als er als Jugendlicher nachzudenken begonnen hatte. Aber er hatte weiter den Fischen in den Bächen und Teichen nachgestellt. Dies wiederum hatte er mit ungefähr dreißig Jahren aufgegeben, weil er es irgendwann als Tierquälerei empfunden hatte. Und inzwischen konnte er noch nicht einmal einer Spinne ohne Gewissensbisse etwas zuleide tun. Trotzdem war er kein dogmatischer Tierschützer, dazu schmeckte ihm ein Wiener Schnitzel oder ein ordentliches Steak viel zu gut, aber ein Tier ohne Not zu töten war ihm immer unangenehm.
    Trotz der Gefahr, die ihr jetzt drohte, krabbelte die Fliege wieder auf seine linke Hand, von der er sie schon unzählige Male mit einer reflexartigen Bewegung vertrieben hatte. Er überlegte kurz, ob er ihr Leben auf der und an dieser Stelle beenden sollte, wartete dann aber lieber, bis sie auf dem Tisch saß. Dann schlug er plötzlich zu. Endlich schien er sich des Brummers entledigt zu haben, doch als er die Zeitung vorsichtig anhob, startete der doch
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