Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
ebenfalls auf. Herr Gardiny, Bankier aus Paris, tut ein paar zögernde Schritte in den Gang hinaus. Es herrscht ein wenig Verwirrung. Eilige Schritte kommen die Treppe hinauf – zuerst erscheint Ottilia Buffatto, dann Fräulein Loppacher, endlich der Küng Johannes. An ihn wendet sich Studer. Er solle das Stroh zum Fenster hinauswerfen. Dies geschieht. Der Rauch verweht. Dann sagt Wachtmeister Studer von der Fahndungspolizei Bern – und er spricht schriftdeutsch, nicht besser und nicht schlechter als Martha Loppacher:
    »Darf ich die Herren bitten, einzutreten?«
    Karl Rechsteiner, der Wirt des Hotels ›zum Hirschen‹, wird bleich, wankt. Aber zwei Frauen stützen ihn – das Anni rechts, das Otti links. Und so geführt, gelingt es ihm, sein Bett zu erreichen.
    Dr. Salvisberg beugt sich über seinen Patienten. Es ist klar, daß der Rechsteiner kein Theater spielt, sein Gesicht ist grünlich. Studer bringt, ohne daß ihn der Arzt darum gebeten hätte, aus der Nachttischschublade drüben, im Schlafzimmer der Frau, die Schachtel mit den Kampferölampullen, die Spritze samt Zubehör. Bald kann der Rechsteiner wieder schnaufen. Aber Doktor Salvisberg schüttelt bedenklich den Kopf und flüstert dann: »Er wird nicht mehr lange leben… Das Herz!«…
    Auch Frau Anni Rechsteiner hat die Worte gehört. Schweigend richtet sie ihrem sterbenden Mann die Kissen – und vergißt ihre eigene Wunde, die Wunde, die ihr der Mann gestern beigebracht hat, wie sie zur Unzeit aus dem Schlaf erwacht ist – trotz des Schlafmittels –, und wie sie ihn gesehen hat zur Tür hereinkommen und sich über ihr Bett beugen. Den Stich hat sie abwehren können, dann hat sie geschrien, ist schreiend aus dem Bett gesprungen, ihrem Mann nach, ins Nebenzimmer, hat die Tür aufgerissen – und ist in Ohnmacht gefallen, gerade als Studer ihr zur Hilfe eilte…
    Sie schüttelt die Kissen, sie legt ihren Mann zurecht, deckt ihn zu, holt im Nebenzimmer ein Fläschchen, netzt ihr Taschentuch damit und befeuchtet des Kranken Stirne mit dem wohlriechenden Lavendelwasser. Dann setzt sie sich neben ihn, nimmt seine Hand in die ihre – und plötzlich blickt sie auf. Ihre Augen suchen, suchen… Endlich haben sie Studer gefunden. Der Blick der Frau ist vorwurfsvoll.
    Nicht alle haben Platz im Zimmer, darum hat man die Nebenpersonen in Frau Annis Zimmer gesetzt – die Tür bleibt offen, so können auch sie alles hören. Im Zimmer selbst sind anwesend: Verhörrichter und Polizeichef, Wachtmeister Studer und sein Schwiegersohn, Bankier Gardiny aus Paris… Ottilia Buffatto und Martha Loppacher sitzen im Nebenzimmer, hinter dem Aktuar, der einen Block auf den Knien hält. Dr. Salvisberg sitzt links vom Kranken auf dem Sims des offenen Fensters.
    Rechsteiner hat die Augen weit geöffnet, und seine Blicke wandern zwischen dem Wachtmeister und seiner Frau hin und her.
     
    »Versteht Ihr mich, Rechsteiner?« fragte Studer. Der Kranke nickte. »Soll ich erzählen? Und wollt Ihr, wenn ich mich trompiere, unterbrechen und richtigstellen?« Wieder nickte der Kranke. Und so begann der Berner Fahnder zu sprechen.
    »Was mir an dem Fall zuerst auffiel, war die Mühe, die sich der Täter gegeben hatte, den Verdacht auf mehrere Personen zu verteilen. Die Stahlspeiche sollte den Velohändler verdächtigen – die Briefe aber Martha Loppacher. Warum, das war die erste Frage, die ich mir stellte, warum waren nur die Briefe mitgenommen worden und nicht auch die Enveloppen? Einfache Antwort: Ohne die leeren Enveloppen wäre man gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß Martha Loppachers Briefe in der Tasche des Ermordeten steckten. Ich nahm die Umschläge an mich und bat die Behörde, mir drei zu überlassen. Sie werden sich erinnern, Herr Verhörrichter, daß ich diese Bitte laut gestellt habe – die Saaltochter war in unserer Nähe, die Wirtin, der Küng… Auch Herr Krock war nicht weit. Wenn ich drei Umschläge zurückbehielt, mußte der Täter denken, daß ich an diesen Enveloppen etwas entdeckt hatte – er mußte also Angst bekommen und in der Angst irgend etwas Dummes tun.
    Er vergiftete meinen Wermut…«
    Erstaunte Rufe… Dr. Schläpfer wiederholte.
    »Ihren Wermut?«
    »Ja«, sagte Studer trocken. »Ich hab' mein Glas gegen das des Herrn Krock eingetauscht. Und wenn Ihr die Fortsetzung meiner Geschichte hört, werdet Ihr mit dem Joachim Krock kein Mitleid mehr empfinden…
    Und übrigens war das Glas dem Krock bestimmt, nid wahr, Rechsteiner?«
    Der Kranke nickte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher