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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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Kranken behandelt hat, wird mir bestätigen, daß eine Lähmung in dem Zustande, in dem sich der Kranke befindet, nur sehr schwer festzustellen ist. Und dann ist ja…«
    »… für einen hochgradig Tuberkulösen«, unterbrach der Arzt den Wachtmeister, »eine horizontale – eine waagrechte Körperlage durchaus indiziert – absolut am Platze!«
    »Das wollte ich sagen… Rechsteiner aber hat Herrn Gardinys Kapital nicht nur in Schwarzenstein investiert, sondern auch in den umliegenden Dörfern. Fräulein Buffatto (die Betonung der beiden letzten Worte trieb der Saaltochter das Blut ins Gesicht) übernahm es, den Kontakt zwischen Gläubigern und Schuldnern aufrechtzuerhalten…«
    Schweigen. Es war ein trübes Schweigen, es wogte durchs Zimmer, bildete Wirbel. Dann räusperte sich vor Ungeduld der eine, der andere, der Aktuar hustete. Herr Gardiny, Bankier aus Paris, zog eine goldene Dose aus der Tasche, entnahm ihr eine Zigarette, zündete sie an einem Feuerzeug an, Wachtmeister Studer stand auf, riß dem Herrn die Zigarette aus dem Mund, warf sie zum Fenster hinaus, setzte sich wieder und sagte trocken: »Gell Rechsteiner, das Rauchen bringt dich zum Husten.« Der Wirt nickte eifrig, ein schüchternes Lächeln entstand in seinen Mundwinkeln, er nahm die Hand seiner Frau.
    »Ich bin gleich fertig«, sagte Studer. »Martha Loppacher schreibt nach St. Gallen. Dort beschließt man – wie man es im Kriege bei verdächtigen Zivilisten tut –, in den ›Hirschen‹ eine Einquartierung zu legen. Jean Stieger übernimmt die Rolle… Noch eine Zwischenbemerkung: Da dieses ganze Gesindel, Krock, Stieger und Gardiny, wie alle Lumpen mißtrauisch ist, stellt die Auskunftei in St. Gallen noch den Bruder des Velohändlers als Ausläufer an. Ernst Graf, der Velohändler, ist der Nachbar des Rechsteiners – durch seinen Bruder hofft man eine zweite Überwachung des ›Hirschen‹ zu erlangen. Es gelingt nicht ganz.
    Jean Stieger kommt. Fräulein Ottilia Buffatto hat es so gut verstanden, den Kranken mit seiner Frau zu entzweien, daß der Rechsteiner die Kontrolle der Abrechnungen der Italienerin übergibt. Aber die Frau braucht Geld: eine Kuh ist vor drei Monaten zugrunde gegangen, sie ist ersetzt worden, das Anni will dem Mann jede Sorge ersparen – eine neue Kuh wird gekauft, aber nun fehlen zweitausend Franken. Frau Rechsteiner hat noch einiges Erspartes, aber es ist in Aktien eines Bergbähnlis angelegt. Der Kurs der Aktien ist tief. Aber ihr Mann hat so oft vom St. Galler Büro des Krock gesprochen, die Wirtin hat die Adresse so oft gelesen, daß sie sich in aller Unschuld dorthin wendet…«
    Anni Rechsteiner sah ihren ehemaligen Schulschatz mit großen Augen an. Woher wußte der Mann das alles? Studer lächelte der Frau freundlich zu und fuhr fort:
    »Jean Stieger bringt das Geld. Aber er will der Frau das Geld erst dann geben, wenn sie ihrer Saaltochter einen Tag freigegeben hat… Wozu?… Ich brauche wohl nicht deutlicher zu werden. Dabei weiß der Stieger, der Tubel, gar nicht, daß diese Saaltochter zu seiner Partei gehört. Er ist ein junger Schnuufer, der nur durch Protektion ins Geschäft geraten ist. Die Wirtin weigert sich – es ist ihr Geld, das der Bursche hat, er hat kein Recht, Bedingungen zu stellen.
    Aufgeregt erscheint sie im Zimmer ihres Mannes und erzählt ihm die Ankunft eines Vertreters von Joachim Krock.
    Kaum ist sie fort, erscheint die Buffatto – pardon, Fräulein Buffatto – und auch diese beklagt sich wild über den jungen Schnuufer…
    Dann ist der Rechsteiner wieder allein. Wahrscheinlich hat er nachgedacht: Unter der Fuchtel des Franzosen zu sein, war arg, aber sich nun auch noch von einem grausamen jungen Bürschlein plagen zu lassen – das ist zu viel! Außerdem hat der Rechsteiner ein schlechtes Gewissen – hat er nicht schon begonnen, die Schuldscheine einzusammeln? Selber kann er's nicht tun. Er muß vorsichtig sein. Freitag hat er die Martha Loppacher bei den Bauern herumgeschickt – und sie hat die Nachricht gebracht, das Büro Krock habe mit den Zahlungsforderungen schon eingesetzt…
    Der Gang ist leer. Es ist halb zehn. Ich habe dem Rechsteiner selbst erzählt, daß wir erst um halb elf Uhr mit den Kutschen heimfahren wollten…. Der Wirt denkt, er habe Zeit. Jeden Tag – seit dem Augenblick, da er die Lähmung vorzutäuschen begann – ist er aufgestanden, im Zimmer hin und her gegangen – manchmal auch in der Nacht, wenn die Frau todmüde schlief, ist er bis in die
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