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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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Küche hinab und hinauf zum Estrich gestiegen… Das kommt ihm heute zugut. Er schleicht sich zur Hintertür hinaus. Welche Waffe wählen? Da sieht er im Gras die rostige Speiche eines Velorades. Der Küng ist im Stall beschäftigt, neben dem Stall liegt die Werkzeugkammer, auch einen Schraubstock hat's dort… Fünf Minuten und die Speiche ist spitz!… Weitere fünf Minuten und der Griff ist fertig – ein Schraubengewinde ist schnell in das stumpfe Ende geschnitten, den Griff braucht man nur anzubohren, dann greift das Gewinde ohne weiteres in das Holzloch. Der Rechsteiner lauert, er zittert vor Kälte und Angst und Erwartung – zwanzig Minuten vor zehn tritt Jean Stieger aus der Hintertür (wahrscheinlich sucht er nach der Saaltochter) – und Rechsteiner winkt ihm. Die beiden haben sich nie gesehen, aber der Wirt hat zwei Beschreibungen gehört, das genügt. Er stellt sich flüsternd vor, erzählt, er müsse etwas Wichtiges mitteilen, lockt den Jungen ins Gärtli, und dann…«
    »Höör uuuf, Stuuuder! Höööör uuuuf! Biiitte, hhhör uuf…«
    Das Gewimmer vom Bett war nicht zu ertragen.
    »Ich bin fertig«, sagte der Wachtmeister. »Ah, noch eins. Wo ist der Herr Pfarrer?«
    Aus Annis Schlafkammer kam eine tiefe Stimme: »Hier!«
    »Heit-r das Züüg?« fragte Studer.
    »Eh natüürli! Wa meinet-r au, Wachtmeister?«
    Ungern nur machte ›Fräulein‹ Buffatto Platz. Sie sah aufmerksam auf Herrn Gardiny – aber der Bankier bewegte sich nicht. So mußte es die Saaltochter geschehen lassen, daß ein Packen Schuldbriefe dem Wachtmeister übergeben wurden. Er zählte sie rasch durch. Dreißig Stück – und gab sie weiter an den Verhörrichter.
    »Das ist mein Eigentum«, sagte Herr Gardiny mit leiser, schier unbeteiligter Stimme.
    »So?« meinte Dr. Schläpfer. »Die Schuldscheine sind alle auf den Namen Rechsteiner… Rechsteiner, verzichten Sie auf Ihre Ansprüche?«
    »I verzichte – no so gärn…«
    »Zu den Akten Krock«, sagte Dr. Schläpfer und gab das Päckli seinem Schreiber.
    Studer öffnete die Tür. Langsam verließ die Gesellschaft den Raum. Der Wachtmeister hörte noch, wie der Polizeichef Zuberbühler den Doktor Salvisberg fragte:
    »Ist er transportfähig?«
    »Uusg'schlosse!« sagte Dr. Salvisberg böse. – Wenn der Rechsteiner auch heute und gestern und vorgestern im Haus herumgespenstert sei, so sei er trotzdem ein verlorener Mann. Als Arzt übernehme er keine Verantwortung. Der Polizeichef blickte hinüber zum Verhörrichter – der schüttelte den Kopf. Dann aber machte er dem Polizisten ein Zeichen; der Mann nickte und drängte sich hinter Ottilia zur Tür hinaus. »Nehmen Sie die Buffatto mit«, sagte er draußen.
    Zuberbühler pfiff unten, laut und trillernd, mit seiner Polizeipfeife. Die Autos der Behörde fuhren an. »Hat's Platz für mich und meinen Schwiegersohn?« fragte Studer. Natürlich hatte es Platz. Dr. Schläpfer, Verhörrichter in Heiden, konnte dem Berner Wachtmeister gar nicht so recht seine Befriedigung zeigen. »Sie essen heut' abend natürlich bei uns«, sagte er, während das Auto anfuhr. Studer schüttelte den Kopf. Er gähnte. Wenn man ihn nur in Arbon absetzen wollte, dann sei er zufrieden; er wolle schlafen, schlafen, schlafen… Und heut' abend nach Bern zurückfahren.
    Also geschah es auch.
     
    Eines Mittags – mehrere Wochen waren seither vergangen – fand Studer auf seinem Teller einen Brief. Die Adresse war ein kalligraphisches Meisterwerk – und der Brief nicht minder. Er lautete.
     
    »Sehr verehrter Herr Wachtmeister Studer!
    Durch vorliegendes Schreiben erlaube ich mir, Sie mit einigen guten Nachrichten zu belästigen.« (Studer runzelte die Stirn und murmelte ›Chabis!‹) »Durch Ihre wertgeschätzte Vermittlung ist es gelungen, meinen Bruder Ernst dem Gefängnis sowohl als auch den Händen der Justiz zu entreißen. Er befindet sich jetzt in gesundem Zustande in seiner Werkstatt zu Schwarzenstein, allwohin ihm Fräulein Martha Loppacher als getreue Ehegattin gefolgt ist. Möge der Himmel den beiden Liebenden Glück und Wonne und ein zufriedenes Eheleben schenken. Auch die lieben Tiere erfreuen sich einer prächtigen Gesundheit, was ich auch von mir behaupten kann. Besonders scheint der Hund Bäärli oft nach dem Herrn Wachtmeister zu fragen. Mir hinwiederum ist es gelungen, im Hotel ›zum Hirschen‹ eine feste Anstellung zu finden, allwo ich mich betätige in Hof und Garten, in Feld und Wald, in Küche und Keller. Nach dem Tod ihres lieben
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