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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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Morgen zu wünschen. Ihr rechter Arm liegt in einer weißen Binde. Fragen, die sich nach der Ursache der Verwundung erkundigen, versteht sie sanft, aber bestimmt zurückzuweisen. Beim Wachtmeister bleibt sie stehen, stützt die linke Hand auf den Tisch und erkundigt sich, ob Studer gut geschlafen habe. Studer nickt, er kann nicht sprechen, weil er den Mund voll hat. Es gelingt ihm endlich, das widerspenstige Weggli zu schlucken. Dann legt er seine große Hand mit den spachtelförmigen Fingerspitzen auf die kleine Hand des Anni und flüstert der Frau zu:
    »Heute mittag bist du frei!« Er fühlt, wie die Frau am ganzen Körper zittert, die Hand krampft sich um die Tischkante, so daß die Knöchel weiß werden. Es ist ihm ganz gleichgültig, daß die Augen aller Gäste auf ihn gerichtet sind. Mögen sie glotzen! Er ist genau so elegant wie sie, sein grauer Flanellanzug sitzt gut, nur an den Oberärmeln ist er schon ein wenig ausgebeult. Dagegen ist nichts zu machen… Entweder hat man Muskeln oder man hat keine – nid wahr?
    Ottilia Buffatto kommt mit zwei riesigen Metallkannen: Kaffee, Milch. Sie sammelt die kleinen Kännchen auf den Tischen ein, füllt sie von neuem, verteilt sie. Das hat Studer noch nie gesehen. Darum fragt er das Anni, warum sie sich nicht begnüge, eine Portion zu geben? – Die Leute sollen nicht hungrig und durstig vom Tisch aufstehen, meint die Wirtin. Ein gutes Prinzip, findet der Wachtmeister, aber ob es auch ökonomisch sei?… Das Anni zuckt die Achseln und geht weiter durch den Saal, grüßt hier, grüßt dort. Wahrlich, eine tapfere Frau! Eine Frau, die sich ohne fremde Hilfe zurechtfindet.
    Studer ballt die Serviette zusammen, legt sie auf den Tisch – wie er sieht, daß Albert die seine zusammenlegt und sie in den Ring stößt, winkt er ab: »Unnötig!« Und flüstert, als er neben Albert steht: – Das Postauto fahre elf Uhr dreißig. Bis dahin werde alles erledigt sein.
    Neun Uhr. Ein Gang zur Post. Frau Gloor, hinter ihrem Schalter, nickt freundlich guten Morgen. Dann reicht sie dem Wachtmeister zwei Telegramme durch das Schaltertürlein.
    Auf der Bank an der Kirchenmauer, vor den frischen Gräbern, vor den alten, die schon Blumenbeete sind, öffnet sie der Wachtmeister. Aus einem Fach seiner Brieftasche zieht er einen Zettel, über und über bedeckt mit Zahlen und Buchstaben. Albert muß sein Notizbuch zur Hand nehmen, und der Wachtmeister diktiert langsam, Buchstaben nach Buchstaben, die Übersetzung des einen im Polkod verfaßten Telegrammes. Das Mannheimer Telegramm ist lang, Studer diktiert schnell – dennoch beginnen die Augen des jungen Polizeikorporals zu glühen. Der Inhalt scheint ihn doch zu überraschen. Das Pariser Telegramm übersetzt Studer selbst – wenn man denkt, daß man nun einen Schwiegersohn hat, der nicht einmal ordentlich Französisch kann! Zum Güggelpicke isch das!
    Halb zehn. Es reicht gerade noch für einen Besuch drüben in der Hütte des Velohändlers… Das Bäärli kommt traurig einen guten Morgen wünschen, wedelt mit dem Schweif, viele Fragen stehen in seinen Augen. »Ja«, sagt der Wachtmeister, »dein Herr wird kommen, heute abend noch… Oder spätestens morgen früh… Guten Tag, Fräulein Loppacher. Was ich fragen wollte… Gedenken Sie nach St. Gallen zurückzukehren?« Schweigen. Langes Schweigen. Dann stockend: »Wenn mich der Ernst will, so bleib' ich hier.« »Das ist vernünftig«, meint Studer und fügt hinzu, während er auf den Stoßzähnen grinst: »Aber mit Maniküre wird es, fürcht' ich, vorbei sein…« Statt einer Antwort streckt Martha Loppacher wortlos die beiden Hände aus, Rücken nach oben. Die Nägel sind kurz geschnitten, an vielen Stellen ist die künstliche Glasur abgebröckelt. Die Wangen sind rot – aber es ist ein echtes Rot… Was will man mehr? Am liebsten möchte der Wachtmeister der Martha Loppacher die Wangen tätscheln wie einem folgsamen Kind. Da dies nicht geht, sagt er bloß: »Recht so, schön! Aber nach all den Lügen, die du mir verzapft hast, Martheli, mußt du mir auch einen Dienst erweisen. Ich erwart' dich um halb elf Uhr drüben im Hotel. Zeig deine Uhr!« Vergleichen… Martha Loppachers Armbanduhr geht um fünf Minuten vor. »Also punkt halb elf, droben im Gang, vor dem Zimmer Nummer acht… Verstanden?« Das ehemalige Bürofräulein nickt. »Was macht der Fritz?« Der Fritz sitzt auf einem Deckenhaufen im Raume neben der Werkstatt und hält in der rechten Hand eine Milchflasche mit einem…
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