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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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Verstärkens hat man wieder das Rotlicht anzünden können. Wieder die gleich Prozedur wie vorhin: die Platte in Alkohol getaucht, abgeschüttelt, Albert betätigt den Blasbalg so energisch, daß ihm der Schweiß von der Stirn rinnt. Sie ist trocken, endlich, die Platte. Wieder wird sie über eine hochempfindliche Platte eingespannt – wieder flammt das Zündholz auf – nachdem, selbstverständlich, das Rotlicht gelöscht worden ist. Wie spät ist es? Halb eins. Seit zehn Uhr ist man schon an der Arbeit. Studers Armbanduhr mit dem leuchtenden Zifferblatt ist unter dem Kissen versteckt. Noch dreimal flammt das Zündhölzchen auf – noch dreimal wird der Blasbalg betätigt, nachdem entwickelt, verstärkt, fixiert worden ist. Und nun, bei der letzten Platte –Studer ist stolz.
    »Da, Albert, lies!«
    Nun kann man die Wolldecken von dem Fenster reißen, auch den roten Schirm von der Lampe nehmen, die Platte vor die Birne halten – Buchstaben, ganz schwache Buchstaben sind auf der Platte zu sehen. Diese Buchstaben bilden nur zwei Sätze – und in diesen Sätzen gibt es Worte, die man erraten muß, aber diese beiden Sätze geben die Lösung des Falles!…
    Die Platte wird noch einmal in den Rahmen gespannt, aber nicht, ohne ein Kopierpapier unter sie geschoben zu haben. »Eins-zwei-drei-vier-fünf-sechs-sieben« zählt Studer langsam – es klingt wie eine Beschwörungsformel. Dann wird der Rahmen wieder bedeckt und ein wenig abseits von der Lampe geöffnet. Das Papier entwickelt, fixiert, in Alkohol getaucht und dann mit einem Faden an der Stange befestigt, die den linken Fensterladen geschlossen hält. Da der rechte offen ist, flattert das Papier wie ein Fähnlein im Winde… Es ist drei Uhr morgens, über den Hügeln im Osten liegt schon ein grauer Schein. Die beiden Männern sinken auf ihre Betten. Sie sind todmüde… Und bald schlafen sie ein.

 
    Der Speisesaal, morgens um halb acht. Auf den weißgedeckten Tischen stehen flache Glasschalen mit gerollten Butterstückchen, Schalen aus glänzendem Weißmetall, gefüllt mit Konfitüre, Honig, Platten mit Käse. Es riecht nach Kaffee und gesottener Milch. Die Tische sind spärlich besetzt: hier ein Gast, dort einer, eine Mutter mit zwei Gofen – und die Gofen löffeln die Konfitüre ohne Brot. Studer denkt, daß die heutigen Kinder schlecht erzogen sind. Er ist frisch rasiert, sein kurzgeschnittenes Haar glänzt wie das Fell eines Apfelschimmels, und sein Schnauz ist so sorgfältig gekämmt, daß er den ganzen Mund frei läßt. Heute ist Wachsein, höchste Aufmerksamkeit nötig. Hat Studer diese Nacht – oder richtiger, diesen Morgen – nicht das Gespenst gesehen, von dem die Jungfer Schätti, die Köchin des Hotels ›zum Hirschen‹ gesprochen hat?…
    Dem Wachtmeister gegenüber sitzt Albert Guhl.
    Merkwürdig, wie schlecht die heutige Jugend eine durchwachte Nacht vertragen kann! Albert sieht müde aus und mißmutig. Nur wenn er seinen Schwiegervater ansieht, leuchten seine Augen. Er bewundert diesen älteren Mann, er versteht nicht, warum der Vater seiner Marie sein Leben lang Wachtmeister geblieben ist. Er ist noch jung, der Polizeikorporal Albert Guhl, stationiert in Arbon, er weiß nichts von der großen Bankaffäre, die seinem Schwiegervater das Genick gebrochen hat, damals, als er wohlbestallter Kommissär an der Stadtpolizei Bern gewesen ist. Er weiß noch nicht, dieser junge Schnuufer, daß es im Leben Scheidewege gibt: die bequeme Straße führt zu Ehren und Würden, aber der Zoll, den man entrichten muß, um auf dieser Straße wandeln zu dürfen, heißt Selbstachtung und gutes Gewissen. Studer hat diesen Zoll nicht entrichten wollen – seine Kollegen im Amtshaus z'Bärn behaupten, er habe einen Steckgring… Nun, der ›Bärtu‹ wird auch einmal am Scheideweg stehen… Vorläufig ist er noch voll Bewunderung über das Hexenkunststück seines Schwiegervaters, durch das er aus einem weißen Stück Papier Buchstaben hervorgelockt hat.
    Herr Bankier Jacques Gardiny betritt den Saal. Seit gestern scheint sich seine Lähmung gebessert zu haben. Denn er vermag, gestützt von seiner Krankenschwester, bis zu seinem Stuhl zu gelangen. Er schreitet einher, gespreizt und steif wie ein Storch…
    Gelbe Vorhänge verhüllen die Fenster, die gen Osten liegen. Darum ist das Licht, das über dem Saal liegt, angenehm gedämpft. Albert hat zwei Tassen Kaffee getrunken, er beginnt aufzuwachen.
    In der Tür erscheint Anni Rechsteiner, um ihren Gästen einen guten
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