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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Autoren: Tatjana Kruse
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mit Erbrochenem und Panik-Urin auf dem hautengen Adidas-Outfit und mit verrenkten Gliedmaßen. Es ließ sich nicht leugnen: Er war keine schöne Leiche. Vor allem keine Leiche, die gut roch.
    Dabei meinte es das Schicksal noch gut mit ihm. Es teilte ihm nämlich nicht mit, dass es schon am nächsten Morgen einen Wetterumschwung geben würde. Temperaturen um die zwanzig Grad und viel Sonne.
    Als Ludger Klier annähernd vierzehn Tage später von Drahthaardackel Theseus von Schönwalde gefunden wurde, hätte ihn selbst seine Mutter selig nicht mehr erkannt.
    Von Kleingetier angenagt und von Maden ausgeweidet, von Insekten als Brutrevier missbraucht, waren seine Hightech-Radlerschuhe das Einzige, was an ihm noch proper aussah.
Echte Kerle sticken ohne Fingerhut
    Der Knötchenstich ist ein Zierstich, der plastisch auf dem Stoff liegt. Er kann einzeln, in Reihen, senkrecht, waagerecht, diagonal oder kreisförmig angeordnet werden.
    Die grobe Männerhand legte den Faden geübt neben der Ausstichstelle zu einer Schlinge, führte dann die Nadel durch die Fadenschlinge, stach ein und zog die Fadenschlinge sorgfältig an. Gleich darauf wurde die Nadel durchgezogen, so dass ein fertiges Knötchen entstand.
    Voilà.
    Noch zwei Knötchen, dann war der Elfenstaub perfekt.
    Es war natürlich riskant, zarten Elfenstaub mit Knötchenstichen zu sticken, aber er war eben ein gestandener Kerl und scheute vor Risiken nicht zurück. Deswegen stickte er auch ohne Fingerhut. Auf Du und Du mit der Gefahr!
    Das leuchtend gelbe Metallic-Garn ließ die Knötchen zierlich erscheinen. Für die staubwedelnde Elfe hatte er sich für Anchor Sticktwist in Lavendel dunkel (FB 109) und Blaulila (FB 117) in Kreuz- und Steppstich entschieden.
    Das Motiv hatte er selbst erfunden. Er würde die Stickerei nach der Fertigstellung im Deckel einer hellblauen Schmuckschatulle anbringen.
    Gerade wollte er die Fadenschlinge des letzten Knötchens anziehen, da klopfte es an die Tür.
    Verdammt!
    »Ich komme schon«, rief er und ließ seine Stickarbeit in der Truhe unter dem Fenster verschwinden.
Liebe ist chemische Lobotomie und schaltet die höheren Hirnfunktionen aus
    Sie bügelte gewissenhaft das weiße Laken. Eigentlich war sie keine geborene Hausfrau und vertrat die Ansicht, dass es vollkommen ausreichte, wenn man einem Laken aus der Ferne mit dem heißen Bügeleisen drohte, weil es nach der ersten Nacht ja ohnehin so knittrig aussah wie das Gesicht von Altkanzler Schmidt. Aber er sollte es schön bei ihr haben.
    Nicht Schmidt.
    Ihr Neuer.
    Es war so wunderbar, in ihrem Alter noch einmal die Freuden der Liebe zu entdecken.
    Sie hatte sich schon abgeschrieben. Wenn vorn erst einmal eine Fünf steht – und bei ihr stand die Fünf schon geraume Zeit vorn –, ist der Lack ab, völlig egal, was
Brigitte woman
schrieb. Mochten alternde Hollywoodstars à la Sharon Stone auch etwas anderes vorleben, so doch nur, weil die in Geld schwammen und sich Botoxaufspritzungen oder knackige Personal Trainer oder beides leisten konnten. Die deutsche Durchschnittsfrau hingegen hatte sich ihrem Schicksal zu fügen. Und das Schicksal postulierte für Singlefrauen: alt gleich einsam.
    Sie hatte sich sofort in ihn verliebt. Auf den ersten Blick. Er hatte so rührend ausgesehen. Das Hemd falsch geknöpft, Schuppen auf den Cordsamtblazerschultern und dieses entzückende nervöse Lächeln. Natürlich war er etwas jünger. Er würde bestimmt keine chemische Keule schlucken müssen, bevor sie auf dem frisch gebügelten Laken herumtollten.
    Und er würde es ernst mit ihr meinen. Nicht wie die anderen.
    Die Liste ihrer Ex-Typen bestand aus treulosen Versagern und untreuen Verlierern. Sie hatte sich das lange bieten lassen, doch nun nicht mehr. Hatte sie auch seinerzeit die Frauenbewegung nur belächelt, weil sie fand, dass weibliche Reize genügten, damit frau alles bekam, was sie wollte, so musste sie nun zugeben, dass es mit schwindenden Reizen zunehmend schwer bis unmöglich wurde, sich ein sonniges Gemüt zu bewahren. Bei der Arbeit war ihreine dralle 29-Jährige als Chefin vor die Nase gesetzt worden, obwohl sie mit über zwölf Jahren die Dienstälteste war. Und in ihrer Stammkneipe wurde sie kaum noch angesprochen. Eigentlich gar nicht mehr. Außer vom Kellner, aber der wollte ja nur die Bestellung aufnehmen.
    Darum hatte sie jetzt das Ruder in die Hand genommen. Besser spät als nie. Sie war eine selbstbestimmte Frau des neuen Jahrtausends. Sie sprach die Männer an, mit denen sie
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