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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Autoren: Tatjana Kruse
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hatte Personal.
    Die Schlacht ging unentschieden aus, mit einem Kompromiss, von dem sich die hohe Weltpolitik noch eine Scheibe abschneiden konnte. Jeden Montag und jeden Donnerstag kam von acht bis zwölf Frau Pfleiderer, eine Kasachin, der man nachsagte, sie habe ihren deutschen Ehemann, den um dreißig Jahre älteren Willi Pfleiderer, in sein verfrühtes Grab gepflegt. Trotz der Proteste seiner Kinder aus erster Ehe besaß sie nun das schmucke Einfamilienhäuschen auf dem Teurershof.
    Aber natürlich putzte Frau Pfleiderer nicht, sondern saß in viel zu enger Kittelschürze (mit nichts darunter) und fleischfarbenen Nylonkniestrümpfen rauchend am Küchentisch, während Irmi den Herd und die Spüle wischte. Manchmal saß Olga Pfleiderer auch rauchend auf dem Bade wannenrand, während Irmi die Fliesen scheuerte.
    Irmi und Frau Pfleiderer verstanden sich glänzend. Meistens versuchten sie, sich darin zu übertrumpfen, wer von beiden es schlimmer getroffen hatte: die heimatlose Russlanddeutsche ohne Familie oder die sitzengebliebene Deutschdeutsche mit unmöglicher Familie. Irmi gewann immer.
    Im Hintergrund lief das Radio. SWR4. Flotte Schlager. Olga Pfleiderers Fuß wippte im Takt. Sämtliche Weichteile ihres drallen Körpers wippten ebenfalls.
    »So ein schöner Mann. Und so allein«, gurrte Frau Pfleiderer mit ihrem schweren Dialekt.
    Über ihrem Dekolleté klaffte die Kittelschürze auf einmal beängstigend weit auseinander und über dem wohlgeformten Knie rutschte der Saum der Schürze nach oben. Dabei schien sich Olga Pfleiderer gar nicht bewegt zu haben. Ihre Muskelkontrolle musste außergewöhnlich sein.
    Seifferhelds Augenbraue schoss nach oben.
    »Entschuldigung, die Damen. Ich wollte nur eine Tasse Kaffee holen, dann gehe ich auf mein Zimmer.«
    Irmi legte den Wischlappen aus der Hand. »Die Kanne ist eben leer geworden. Ich brühe dir einen neuen auf.«
    »Dank dir, Irmi.« Seifferheld besah sich den Rücken seiner Schwester, die an der Arbeitstheke den Wasserkocher einschaltete und dann zur Dose mit dem Hochlandkaffee griff. Irmi glaubte fest an ein Mischungsverhältnis eins zu eins von Kaffee und Wasser. Seifferheld würde damit, wie immer, wenn Irmi ihm Kaffee braute, den Gummibaum im Treppenhaus gießen. Dass er damit ein Lebewesen zum Tod verurteilte, nahm er billigend in Kauf. Entweder der Gummibaum oder er.
    »Kommen Sie, Herr Siegfried. Leisten Sie uns Gesellschaft«, bat Olga und schob mit dem nylonkniestrumpfbestrumpften Bein einen Küchenstuhl in seine Richtung.
    Seifferheld wollte schon ablehnen, da fiel ihm etwas ein.
    Er schaltete das Radio leiser – es liefen gerade die Wildecker Herzbuben mit ihrem Klassiker
Magst mi au
– und setzte sich. Allerdings schräg zu Olga, den Blick fest auf Irmi gerichtet. Seifferheld war auch nur ein Mann, unddie Fleischhügel, die sich im Rhythmus zu Olgas Atemzügen hoben und senkten, schienen gleichsam den Nordpol für seine Magnetaugen zu bilden.
    »Ich habe gerade die Zeitung gelesen«, fing er an. »Schon wieder ist ein Mann verschwunden.«
    »O ja, das ich habe auch gelesen«, rief Olga. Sie strich sich mit der Zigarettenhand eine blondierte Haarsträhne aus dem Gesicht. Kleine Rauchwölkchen erhoben sich über ihrem Kopf, Asche rieselte auf ihre Schulter. »So viele Männer erst weg, dann tot. Ist sich schrecklich.«
    »Ist sich Zufall«, sagte Irmi und goss das kochende Wasser über den gemahlenen Kaffee. Noch beim Schütten drehte sie den Kopf zu ihrem Bruder. »Ich kenne dich, du willst auf ein Verbrechen hinaus.«
    »Aber alle Männer sterben natürliche Tod«, sagte Olga und drückte die Zigarette im Unterteller aus. Eigentlich war das seifferheldsche Haus strikt rauchfrei, aber Irmi hatte – nur um Susanne zu ärgern – die einzige Putzfrau genommen, die sich beim Bewerbungsgespräch gleich in den ersten beiden Sekunden als bekennende Kettenraucherin geoutet hatte.
    »Siggi vermutet immer hinter allem ein Verbrechen. Er kann’s nicht lassen. Aber es ist lächerlich.« Irmi nahm seine Tasse vom Abtropfbrett und füllte sie mit dem Kaffee, der nicht wie ein Gebirgsquell gluckste, sondern zäh wie Melasse in das Meissner Porzellan plumpste.
    Seifferheld schluckte schwer.
    Onis, der sich bis zu diesem Moment an seinem Wassernapf im Flur gütlich getan hatte, kam mit tropfender Schnauze in die Küche gelaufen.
    »Oh, was für eine schöne Hund!«, rief Olga begeistert,was sie beim Anblick von Onis immer tat. Sie beugte sich vor, um ihn zu
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