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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Autoren: Tatjana Kruse
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Polizeipräsidenten in Stuttgart die urkundliche Ernennung zum Hauptkommissar
de Luxe
entgegennahmen und nach A12 besoldet wurden. Seifferheld wurde stattdessen zum Helden, aber auch zum Kommissar i. R. – im Ruhestand. Oder wie er es empfand, zum Kommissar a. D., außer Dienst – wie in ade, adiós, aus und vorbei.
    Da half es auch nicht, dass er vertretungsweise im Urlaubs- oder Krankheitsfall für den offiziellen Pressesprecher der Haller Polizei die Rubrik
Aus dem Polizeibericht
für das
Haller Tagblatt
schreiben durfte. Seine alten Kameraden spürten, wie nutzlos er sich fühlte, und schoben regelmäßig irgendwelche Unpässlichkeiten oder Abwesenheiten vor, damit er wenigstens über diese Kurz- und Kürzestartikel aus dem Polizeialltag noch am aktiven Leben teilhaben konnte. Seifferheld hasste dieses Mitleid, aber auf die Polizeiberichterstattung verzichten wollte er auch nicht. Der Rest seines Lebens lag lang und öde vor ihm.
    Seine Kollegen hatten sich nach dem Vorfall allesamt vorbildlich verhalten. Immer noch gehörte er dazu. Man traf sich einmal die Woche inoffiziell zum Mord-zwo-Stammtisch. Und auch offiziell war er noch gefragt und hatte vor kurzem, beim Tag der offenen Tür in der Salinenstraße, den ganz Kleinen auf dem Geschicklichkeitsparcours beweisen dürfen, dass die Polizei dein Freund und Helfer ist.
    Allerdings konnte Seifferheld nicht gut mit ganz Kleinen. Zu seiner Zeit war man nicht so rotznäsig zu Erwachsenen gewesen. Wenn überhaupt, hätte man heimlich die Zunge herausgestreckt, aber nicht völlig offen den Stinkefinger gezeigt. Manch einem kleinen Rollerfahrer hätte er am liebsten mit seiner Gehhilfe einen Knuff versetzt. Aber Seifferheld fürchtete sich vor dem geballten Mütterzorn. Man schneidet vor Hyänen ja auch keine Grimassen.
    Ansonsten verstrichen seine Tage in ereignisloser Gleichförmigkeit.
    Seine Morgenrunde führte ihn immer in die sogenannten Ackeranlagen, den Stadtpark seiner Heimatstadt Schwäbisch Hall. Aus den Äckern, auf denen die Haller in den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg Kartoffeln gepflanzt hatten, war 1982 zur Landesgartenschau eine gepflegte Parklandschaft in Fußnähe zur Innenstadt geworden. Eine grüne Lunge. Na ja, ein grüner Lungenflügel. Aber immerhin mit zahlreichen Bänken zum Ausruhen, was Seifferheld gerade anfangs sehr entgegenkam. Mittlerweile schaffte er es dank Physiotherapie einmal quer durch die Ackeranlagen. Nur vor dem Rückweg legte er immer noch eine Pause auf der Bank vor den Stadtwerken ein. Und zählte die von Onis genervten Enten.
    Touristen, die Schwäbisch Hall gerade in den Sommermonaten völkerwanderungsgleich heimsuchten, waren um diese Uhrzeit noch nicht unterwegs. Auch keine Radfahrer auf dem Kocher-Jagst-Weg, der durch die Ackeranlagen führte.
    Für jemand, der noch bis vor wenigen Jahren Schwerkriminelle dingfest gemacht hatte, war so ein beschauliches Dasein nicht wirklich befriedigend zu nennen. Nach dem frühen Krebstod seiner Frau war Seifferheld zum Workaholic geworden. Zähe, akribische Ermittlungsarbeit war sein Markenzeichen gewesen. Unermüdlich hatte er sich gewissermaßen in die Wade des Verbrechens verbissen, bis er den Fall geklärt hatte.
    Jetzt biss er nur noch heimlich in eine Butterbrezel, die er auf dem Weg in die Ackeranlagen in der Bäckerei Brunner gekauft hatte. »Mit extra viel Butter, wie immer, gell, Herr Seifferheld?«, wurde er jeden Morgen gefragt, und er gab stets ein Nicken zur Antwort.
    Seifferheld war kein Mann vieler Worte.
    Ruhestandspläne hatte Seifferheld nie geschmiedet. So gesehen hatte ihn der arbeitsunfallbedingte Vorruhestand eiskalt erwischt. Weltreisen auf einem Kreuzfahrtschiff, selbst Busreisen mit Heizdeckengarantie waren für ihn und seine Hüfte zu unbequem.
    Man wusste ja auch nie, ob es an den Orten, die man besuchte – seien sie nun in der Südsee oder am Bodensee –, das gute Haller Löwenbräu gab. Vermutlich eher nicht. Das war ein absolutes Ausschlusskriterium. Haller Löwenbräu musste einfach sein.
    Außerdem wollte er Onis nicht im Stich lassen und fremden Händen zur Betreuung übergeben. Der Hundhatte sich als weitaus mehr als nur ein Haustier erwiesen. Er war ein Freund, der aus treuen braunen Augen verständnisvoll blickte, wenn Seifferheld mit seinem Schicksal haderte. Oder wenn an Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit die Schmerzen mal wieder unerträglich wurden. Seifferheld war auch Manns genug, um einzuräumen, dass der Hund das emotionale Loch
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