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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Autoren: Tatjana Kruse
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zu Gesicht bekommen hatte, weil sie reihum ihre Ferienhäuser auf Sylt, Malle und St. Croix abwohnten – aushalten. Klaus gehörte zu der Sorte »liebenswerter Loser«, taugte weder zum Playboy noch zum Aktienspekulanten. Womit er seine Tage oder auch seine Nächte füllte, war Seifferheld schleierhaft.
    Das sollte sich nur allzu bald ändern.
    »Du, Siggi«, fing Klaus an.
    Seifferheld ahnte Schlimmes. Er hatte den viel jüngeren Freund beim Orthopädieschuhmacher kennengelernt. Seinerzeit hatte Seifferheld einen Spezialabsatz für sein nach mehreren OPs verkürztes Bein bekommen, während Klaus sich Maßschuhe für seine Senkspreizfüße bestellt hatte. Sie einigten sich aber darauf, jedem, der fragte, zu erzählen, sie hätten sich in der Premiere Sportsbar in der Gelbinger Gasse beim gemeinsamen Bundesliga-Viewing angefreundet. Das klang kerniger als die gemeinsame Vorliebe für eine bestimmte Hühneraugensalbe und die gegenseitige Kenntnis der Einlagen.
    »Du, Siggi«, wiederholte Klaus, der immer »Du, Siggi« sagte, bevor er etwas völlig Bescheuertes vorschlug. Wie damals seine Idee, sich als freiwillige Testperson für eine Männerkosmetikserie zu melden. Seifferheld hatte natürlich abgelehnt. Seit jener Zeit sah Klausens Gesichtshaut wie nach einem Angriff fleischfressender Akneviren aus.
    »Du, Siggi«, sagte Klaus noch einmal und holte tief Luft. »Ich habe mich für einen Kochkurs bei der Volkshochschule eingeschrieben. Nur für Männer. Kochen fürKerle. Es fehlt aber noch einer, sonst kommt der Kurs nicht zustande. Machst du mit?«
    Seifferheld schüttelte den Kopf. »Kochen ist nicht so meins.«
    »Das wird sich durch den Kurs ändern!«, versprach Klaus vollmundig.
    »Ich weiß nicht. Ich habe doch keine Ahnung vom Kochen.«
    »Na, das ist doch die beste Voraussetzung!« Klaus strahlte.
    Seifferheld fiel auf die Schnelle keine höfliche Umschreibung für »Ich habe null Bock auf einen Kochkurs« ein.
    »Mit meiner Rente …«
    »Ich zahle für dich mit.«
    Die Bedienung stellte einen Cappuccino mit extra viel Schaum auf den Stehtisch.
    »Grazie«, gurrte Klaus.
    Die Brünette lächelte warm und tätschelte ihm die Schulter. Klaus konnte machen, was er wollte, aber bei seinem Anblick wurde in Frauen immer nur der Mutterinstinkt geweckt. Womöglich war der Mann sogar noch Jungfrau.
    Als Klaus ihn jetzt welpengleich anblickte, musste Seifferheld all seine Kraft aufbringen, um hart zu bleiben. Also ehrlich, ein Kochkurs!
    »Nein, tut mir leid, Klaus.«
    Etwas fiepte. War das jetzt Klaus? Oder doch Onis, der aus seinem Vormittagsschlummer erwacht war und einer schlohweißen Pudelhündin nachblickte?
    Seifferheld stand auf. »Ich muss los. Recherche. In der Stadtbücherei. Sorry, Klaus.«
    »Och Siggi, willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Gib mir wenigstens ein Jein.«
    Seifferheld blieb eisern. »Du kannst ein Nein haben. Nie und nimmer. Das ist mein letztes Wort.« Er legte das Kaffeegeld inklusive Trinkgeld auf den Tisch, nickte Klaus zu, griff sich die Gehhilfe und humpelte die wenigen Meter zur Stadtbücherei hinunter. Onis musste er an der Bank gegenüber dem Eingang anbinden.
    In der Zeitungsecke der Bibliothek saßen schon der Leiter der Haller Lyrikgruppe mit der neuesten Ausgabe von
Literaturen
und daneben der übergewichtige Klischee-Langzeitarbeitslose, der ungepflegt und ungewaschen – und somit allein für sich – am Fenstertisch saß und den
Spiegel
verkehrt herum auf seiner löchrigen, schmutzverkrusteten Hose balancierte.
    Seifferheld ging so rasch wie möglich die alten Ausgaben des
Haller Tagblatts
durch. Er fand, was er suchte – querbeet alles über die verschwundenen Männer: von den Vermisstenmeldungen über die Polizeiberichte bis hin zu den Traueranzeigen. Er ließ sich von der Volontärin beim Kopieren helfen und eilte dann nach draußen, wo er Onis losband und mit ihm zur Metzgerei Hespelt für ein Paar Belohnungssaitenwürstle ging.
Hat nicht jeder eine Leiche im Keller? Oder doch wenigstens einen Stickrahmen in der Wäschetruhe?
    Als Seifferheld gegen Mittag, völlig ausgehungert, nach Hause kam, war die Küche leer. Nur der intensive Duft von Frau Pfleiderer lag noch in der Luft. Ihr war die Parfümmarkeegal, ihr Motto lautete: Hauptsache viel. Nicht einmal der Zigarettengestank kam dagegen an.
    Seifferheld riss alle Fenster auf, schmierte sich in der Küche fingerdick Leberwurst auf eine Scheibe Brot, aß im Stehen, trank noch eine halbe Flasche Bier dazu und
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