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Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.

Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.

Titel: Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.
Autoren: Hermann Hesse
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HERMANN HESSE
    BOCCACCIO
    Der Dichter des Dekameron

    Mit einem Nachwort von Fritz Wagner

    epub-Konvertierung by Manni

    Insel Verlag
    Erste Aufage 1995
© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1995
(Für diese Ausgabe)
© für Hesses »Boccaccio« Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1983
Alle Rechte vorbehalten
Bezugspapier: Italienisches Buntpapier. Anf. 19. Jh.
Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Bücherei,
Leipzig
Inventar-Nr. Bul. 1683 (Slg. Seegers)
Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn
Druck: Nomos Verlagsgesellschaft: Baden-Baden
Printed in Germany
ISBN 3-458-19131-3

    Giovanni Boccaccio
    Der Signora Maria in Erinnerung
an unsern Spaziergang im Mugnonetal
in Verehrung zugeeignet!

    V erehrte Herrschaften und vor allem Ihr, schöne und
         angebetete Damen! Es ist üblich, daß demjenigen, der ein schönes Geschenk oder Kleinod überbringt, ein guter Dank und Lohn zuteil wird; und so werdet auch Ihr, wenn ich Euch einen reichen Schatz ohne allen Anspruch auf Gewinn oder Lohn übergebe und anpreise, es freundlich aufnehmen und mir im stillen Dank dafür wissen. Dies tue ich aber, indem ich Euch das Buch meines Freundes Giovanni Boccaccio aus Florenz in die Hände lege; denn Ihr werdet, sofern Ihr es verständig leset, in demselben eine solche Fülle von schönen, klugen, erfreulichen, rührenden und lächerlichen Geschichten entdecken, wie sie vielleicht außerdem kein anderes Buch irgendeines Dichters enthält.
       Seid Ihr nie an einem schönen, warmen Tage im Frühsommer an einem fremden Garten vorübergegangen? Ihr wäret allein und verdrossen, und aus dem Garten brachte der Wind den Geruch von Rosen und Orangenblüten, das Silbergetön einer plätschernden Fontäne, die Klänge einer Gitarre und das von Gelächter unterbrochene Plaudern fröhlicher junger Leute zu Euch heraus. Da ergriff Euch Traurigkeit und eine mächtige Sehnsucht, hineinzugehen, die staubige Landstraße mit grünem Rasen und Blumenbeeten zu vertauschen, die Lieder der Sänger und die frohen Gespräche der Glücklichen anzuhören und Eure Sehnsucht an all der Heiterkeit und Freude nach Herzenslust zu ersättigen.
       Wohlan, Ihr werten Leute, hier ist das Tor des Gar tens: es ist geöffnet, und aus den Büschen dringt Blütenduft, Gelächter, Liedergesang und Saitenspiel. Tretet ein, nehmet Platz, sättiget Euer Verlangen! Höret Ihr gerne schöne Lieder an? Oder habt Ihr Lust, Euch eine traurige Liebesmäre erzählen zu lassen? Oder freut es Euch, einen Witz, eine Posse, eine kräftige Anekdote zu vernehmen? Oder von Beispielen des Edelsinns und höchster Tugend zu hören? Traget Ihr Verlangen nach vielfältigen und unerhörten Abenteuern, oder mehr nach galanten Historien, bei welchen die Damen erröten und sich, der guten Sitte halber, ein wenig entrüstet stellen?
       Ihr alle möget eintreten, und jeder wird fnden, wonach er sich sehnte. Denn die hundert Geschichten des edlen Herrn Boccaccio sind so beschaffen, daß sie die Jünglinge zum Entzücken, die Mädchen zum Erröten oder zur Rührung, die Männer zum Lachen, die Weisen zum Nachdenken nötigen. Man fndet in diesen Geschichten die verschiedenen Arten der menschlichen Natur und Temperamente, der Liebe und Freundschaft, der Schicksale in Leben und Sterben, alles auf eine anmutige und wahrhaftige Art erzählt und dargestellt. Für Kinder von zartem und unerfahrenem Alter sind sie nicht geeignet, auch nicht für blöd gewordene Greise, auch nicht für Leute von feindseliger, kleinlicher und mürrischer Sinnesart. Außer diesen aber mögen sie von Jungen und Alten jeder Art mit großem Vergnügen und gewiß auch nicht ohne Nutzen gelesen werden.
    Ehe ich weiter von diesem merkwürdigen Buche mit Euch rede, will ich aber erzählen, wer eigentlich jener Herr Boccaccio war (denn er ist leider schon seit längeren Zeiten verstorben), und wie er das Dekameron geschrieben hat.

    W er jemals auch nur die kleinste Novelle von ihm
           gelesen hat, der kann nicht daran zweifeln, daß jener ein echter Florentiner war. Denn wenn es auch einem Fremden vielleicht möglich gewesen wäre, die schöne und glänzende forentinische Sprache so vollkommen zu erlernen, so würde ihm doch immer noch der bewegliche, kecke und witzige Geist des geborenen Florentiners mangeln, den man nicht lernen kann. Denn wohl haben in späteren Zeiten auch manche weichliche Neapolitaner, leichtsinnige Mailänder, träge Venetianer und plumpe Sienesen hübsche Novellen
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