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Das Blut der Rhu'u

Das Blut der Rhu'u

Titel: Das Blut der Rhu'u
Autoren: Mara Laue
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    Kara fühlte den weichen Samt auf ihrer Haut und darunter die Kälte des Altars. Die harte Steinplatte drückte unangenehm durch den Stoff. Sie fröstelte, obwohl die in weitem Kreis um den Altar herum aufgestellten neun Kerzen eine für ihre geringe Zahl ungewöhnliche Hitze verbreiteten. Vier schwarze Kerzen, vier rote und eine weiße. Sie hörte das leise Knistern von Weihrauch, der außerhalb ihres Gesichtsfeldes verbrannt wurde. Sein Duft ließ ihr schwindelig werden. Gleichzeitig versetzte er sie in angenehme Erregung.
    Zwei Männer und zwei Frauen standen um den Altar herum, rothaarig, grünäugig und vollkommen nackt. Kara wurde sich bewusst, dass sie ebenfalls nackt war. Was tat sie hier? Sie versuchte aufzustehen, doch kein Muskel gehorchte ihrem Befehl. Der ältere der beiden Männer beugte sich zu ihr herab und strich ihr über das Gesicht. Die Berührung weckte ihre Lust.
    »Es ist alles in Ordnung, Carana. In wenigen Minuten bist du endlich du selbst.«
    Seine Stimme klang einschmeichelnd, verführerisch, wie die Verheißung des Paradieses. Er streckte die Hände aus und hielt sie so, dass sie über Karas Körper schwebten. Die anderen taten dasselbe, ehe sie begannen, gemessen im Kreis um den Altar zu schreiten. Dabei murmelten sie erst leise, dann zunehmend lauter dieselben Worte einer Sprache, die Kara noch nie gehört hatte: »Zitágunee, Rhu’Carana! Zitágunee!« Bis der ganze Raum davon widerhallte.
    Eine unsichtbare Kraft strömte von den acht Händen aus, verwob sich mit dem Singsang und drang in Karas Körper ein. Ließ sie unkontrolliert zucken, als würden Stromstöße durch ihren Körper gejagt. Das Echo des Chants vervielfältige sich in ihrer Seele, schwoll zu einem unerträglichen Crescendo an, bis die Seele brach, zersplitterte und ...
     
    *
     
    Kara fuhr keuchend aus dem Schlaf hoch und brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass es nur ein Traum gewesen war. »Nur« wurde dem Grauen dieses Albtraums allerdings kaum gerecht. Sie spürte immer noch die Angst, das Entsetzen, ihre Hilflosigkeit, weil sie sich nicht gegen das hatte wehren können, was mit ihr geschehen war. Das Szenario, in dem sie sich im Traum befunden hatte, erinnerte sie an eine Szene aus einem Horrorfilm und trug nicht dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Dafür kribbelte die Lust immer noch in ihr, die sie trotz ihrer Angst empfunden hatte.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es kurz nach drei Uhr morgens war. Sie atmete tief durch und bemerkte, dass sie vollkommen nass geschwitzt war. Sie ging ins Badezimmer. Ihr Spiegelbild sah schrecklich aus und zeigte blasse Haut, dunkle Ringe unter den Augen und einen gequälten Ausdruck im Gesicht. Sie warf ihr Nachthemd in den Wäschekorb, duschte und zog anschließend ein frisches Hemd über. Ein erneuter Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass sich die Sorgenfalten auf ihrer Stirn vertieft hatten.
    Kein Wunder. Seit ihrem achtundzwanzigsten Geburtstag vor fünf Wochen häuften sich die Albträume. Als wären sie Vorboten einer Gefahr, die unaufhaltsam auf sie zukam. Es fehlte nur noch, dass die Visionen sie wieder heimsuchen würden, die sie für immer los zu sein gehofft hatte. Deshalb klammerte sie sich an die Hoffnung, dass die Ursache in ihrer vor drei Monaten erfolgten Trennung von ihrem Freund Ben lag. Er hatte sie Hals über Kopf wegen einer dunkelhäutigen exotischen Schönheit sitzengelassen, »die wenigstens weiß, wie man einen Mann im Bett glücklich macht«. Seine offensichtliche Verachtung steckte immer noch wie ein Stachel in ihr und ließ sie sich minderwertig fühlen. Seine gehässige Bemerkung, dass er von einer Frau, deren Körper bei jeder Bewegung »Sex« buchstabierte, mehr erwartet hatte, gab ihr nachträglich das Gefühl, dass er sie nur als Lustobjekt betrachtet hatte.
    Vielleicht war Bens Anschuldigung, sie sei eine verklemmte Puritanerin, der Grund dafür, dass die Träume immer intensiver in Bereiche vorgedrungen waren, in die Kara sich im realen Leben nie gewagt hätte. In einem dieser Träume hatte sie sich auf einer Party gesehen, gekleidet in ein gewagtes Nichts, das kaum das Nötigste verbarg. Männer hatten sie umschwärmt wie die Motten das Licht. Das Ganze endete in einer Orgie mit ihr als Mittelpunkt, die sie in vollen Zügen genoss.
    Später waren die Albträume gekommen. Zunächst nur schemenhafte Bilder, die kurz aufblitzten und wieder verschwanden. Aber sie wurden mit jedem Mal deutlicher und endeten entweder mit der
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