Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein
Autoren: Ulrich Schreiber
Vom Netzwerk:
Drachenfels-Trachyt. Wie Autos auf einem Parkplatz waren sie eingeregelt, was durch die Fließbewegung des Magmas zu erklären war. Sein Blick fiel auf eine etwa kopfgroße Stelle etwas weiter oberhalb. Merkwürdig, dachte er. Wieso ist mir das denn nicht beim letzten Mal aufgefallen? Die Fläche hob sich deutlich von dem umgebenden Gestein ab. Vielleicht ein fremdes Gestein aus der tieferen Erdkruste, das vom Magma mitgebracht worden war? Oder war das eine der Stellen, an denen die Kernbohrungen angesetzt hatten?
    Von hier unten konnte er das nicht erkennen. Allenstein blickte auf die Uhr. Und einen Helm habe ich auch nicht dabei, dachte er. Ein Stechen in der Brust rief ihm die letzte Aktion in Erinnerung.
    Beim nächsten Mal, beschloss er und bahnte sich einen Weg durch das Gestrüpp aus Dornensträuchern und Ilex, ein Horror für kartierende Geologen. Als er sich langsam durch die stechende Blattmasse schob, gab es auf einmal ein lautes Plopp. Er war mit dem rechten Fuß auf eine verschlossene Plastikflasche getreten. Neugierig bückte sich Allenstein und zog eine Kunststoffflasche mit dem typischen Aufkleber für chemische Substanzen unter dem Laub hervor.
    »Salzsäure – Achtung ätzend!«, las er laut. Merkwürdig, dachte er, wie kommt das denn hierhin? Der Deckel war durch den Druck abgegangen und hatte das Geräusch verursacht. Es war noch ein wenig Restflüssigkeit in der Flasche. Die lasse ich besser hier, überlegte Allenstein und versteckte sie wieder im Laub.

| 5 |
    Das Haus des Priesters der kleinen Gemeinde lag fast im Ortszentrum, an der Straße, die zum Friedhof führte. Die Abendmesse begann pünktlich um 18.00 Uhr. Eine Stunde hatte er jetzt mindestens Zeit.
    Der gezackte Metallstift passte genau in den Schließzylinder. Fünf, sechs vibrierende Bewegungen und der zweite Metallstab traf nicht mehr auf Widerstand. Problemlos ließ sich der Zylinder einmal um die eigene Achse drehen.
    Der Geruch im Flur erinnerte den Eindringling an seine Kindheit, eine Mischung aus Teppichmief, Kölnisch Wasser und altem Kaffeegeruch. Eine Zehntelsekunde lang staunte er darüber, wie lange ein Gehirn die Erinnerung an Gerüche speichern kann. Dann jedoch setzte er, ohne weitere Zeit zu verlieren, eine OP-Haube auf, streifte Plastikschuhe über und zog sich Latexhandschuhe über die Hände. Im Haus war es ruhig und dunkel. Mit Hilfe einer schwachen LED-Lampe versuchte er sich zu orientieren. Im Flur hing, vermutlich über der Wohnzimmertür, ein antik aussehendes Kreuz. Nach links führte eine Tür zur Gästetoilette, dahinter lag der Eingang zur Küche. Gleich vorn neben der Haustür begann die Treppe zum nächsten Geschoss.
    Das Haus lag an einem kleinen Bergrücken und war versetzt an die Morphologie des Hanges angepasst worden. Die Treppe zum Halbgeschoss war mit einem roten, sehr weichen Teppichläufer belegt. Er schluckte jeden Schritt, selbst das Knistern der Plastikschuhe. Von einem kleinen Zwischenflur ging es weiter aufwärts in verschiedene Zimmer. Zur Seite, fast in den Hang gebaut, lag das Badezimmer mit dem typischen Charme der sechziger Jahre.
    Es roch nach feuchten Schimmelresten aus den alten Kachelfugen. Vorsichtig zog er den Riemen mit der Stirnlampe über die OP-Haube und sah sich im Bad um. Hinter dem halb geöffneten Duschvorhang hing der Duschschlauch schlapp in einer ausgeleierten Halterung, am Ende ein kalkverkrusteter Duschkopf.
    Einen Augenblick dachte er an »Psycho«, den Thriller von Hitchcock, und unwillkürlich überlief ihn ein Schauer. Nein, das wäre nicht seine Sache.
    Der Schlauch saß fest. Aber er hatte zum Glück noch rechtzeitig an eine Rohrzange gedacht. Nach wenigen Umdrehungen war der Schlauch gelöst. Schnell legte er die mitgebrachten Papiertücher in die Duschwanne, die ersten Tropfen hatten schon seine Füße bespritzt. Aus einem flachen Karton in der Manteltasche zog er eine 20-Milliliter-Spritze, auf deren Spitze ein kleiner Schlauch befestigt war. Etwas umständlich dirigierte er den Schlauch in den dickeren der Duscharmatur und drückte den Inhalt der Spritze vollständig aus. Es passte alles in das durchhängende Schlauchstück. Gerade als er die Überwurfmutter an der Mischbatterie wieder befestigte, hörte er ein Geräusch an der Haustür. Jemand versuchte, mit einem Schlüssel das offene Schloss zu öffnen. Sekunden später fiel die Tür zu, und jemand ging summend in die Küche. Von der Tonlage her musste es ein Mann sein. Die Duschwanne war an einigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher