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Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein
Autoren: Ulrich Schreiber
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getrocknetem Gras. Umsäumt wurde das Ganze von roten und grünen Glasperlen. Es sah aus wie ein kleiner Opferplatz.
    Merkwürdig, wer macht so etwas?, dachte er, aber dann fiel ihm ein Beitrag ein, den er in einer Illustrierten über Naturreligionen gelesen hatte. Darin wurden ähnliche Bräuche beschrieben. Und heutzutage waren viele Menschen ein wenig esoterisch veranlagt. Vielleicht steckte ja auch irgendein heidnisches Ritual dahinter.
    Na, meinetwegen, dachte er. Er schüttelte den Kopf und verließ den windigen Ort in Richtung Parkplatz. Als er im Auto saß und gerade den Wagen starten wollte, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Die Apfelspalten waren noch gar nicht richtig braun. Das bedeutete …
    Ein leiser Anflug von Panik stieg in ihm auf.
    Und wenn ihn nun jemand beobachtet hatte? Eine ganze Weile saß er nach vorn gebeugt da und stützte sich aufs Lenkrad. Das Zittern kam erst ganz langsam. Es ging von der Brust aus, stieg in den Hals, kroch in die Arme. Als sein ganzer Körper zu vibrieren anfing, riss er sich vom Lenkrad los und stieß heftig die Tür auf.
    Die Basalte im Mittelrheingebiet sind Reste großer Vulkane, die vor mehr als zwanzig Millionen Jahren aktiv waren. Sie schauen als große Kuppen aus der alten, hoch liegenden Verebnungsfläche des Mittelrheingebietes heraus. Der Grund ist die unterschiedliche Verwitterung und Erosion der Gesteine. Die Basalte trotzen der Abtragung länger als Sand- und Tonsteine, die in ihrer Nachbarschaft das Schiefergebirge aufbauen. Lange Zeit waren sie die Lieferanten für Baumaterial und Eisenbahnschotter. Bei der Abkühlung basaltischer Gesteinsschmelze bilden sich häufig vier- bis sechseckige Gesteinssäulen aus, die den gesamten Kernbereich des ehemaligen Vulkans ausbilden können. Basaltsäulen sind ein gesuchtes Material für den Dammbau an der Küste und den Flüssen. Weite Teile des Niederrheinufers und Deiche in Holland und Norddeutschland sind an der Oberfläche mit Säulen bepflastert. Fast jede Basaltkuppe in Rheinnähe ist aus diesem Grund durch mehrere Steinbrüche angegriffen worden. Nach der Ausbeutung wurden die Brüche sich selbst und der Natur überlassen.  
    Ganz langsam ging sie auf den Rand des Steinbruchs zu. Der kalte Wind wehte jetzt von Osten über den alten Bruch herüber und brachte große nasse Schneeflocken mit. Ihre langen Haare waren nur auf dem Kopf durch die Mütze geschützt. Jeder Windstoß wirbelte die rotblonden Strähnen um ihr Gesicht und um ihren Hals. Mit unsicheren Blicken suchte sie den Rand zur Steilkante ab, ging einige Schritte nach rechts und kam wieder zum Ausgangspunkt zurück. Es lag nur ein einziger Schritt zwischen ihr und der unendlich großen Stufe.
    Der starke Wind schluckte alle Geräusche, das Knacken kleiner Äste und das Streifen der Fichtenzweige auf regenfester Kleidung. Plötzlich jedoch horchte sie auf.
    »Cordula! Cordulaaa!«
    Der Ruf kam mit dem Wind vom Eingang des alten, zugewachsenen Steinbruchs.
    Cordula trat einen halben Schritt nach vorn und hob beide Arme, um ihrer Schwester weit unten im Bruch zuzuwinken.

| 2 |
    Die Tagesexkursionen für die Studenten der Geowissenschaften aus Köln waren unter den Dozenten aufgeteilt. Meist wurden sie gar nicht in ausreichender Zahl angeboten, sodass es regelmäßig zu einer Überbuchung und einem Gerangel um die Plätze kam. Jeder im Institut musste sich beteiligen, und die Touren wurden je nach Arbeitsschwerpunkt thematisch festgelegt.
    Henno Allenstein war jedes Jahr mit Studenten in der Kiesgrube in Arienheller am Rhein. Diesmal hatte er die Exkursion an den Anfang des Wintersemesters gelegt. Die Tage waren zwar Mitte Oktober schon sehr kurz, und manchmal war das Wetter miserabel, aber vorher blieb wegen verschiedener Forschungsprojekte einfach keine Zeit. Die Ausrichtung seiner Professur hatte den Schwerpunkt »Regionale Geologie von Deutschland«, unter spezieller Berücksichtigung von Nordwestdeutschland. Hierdurch kam er häufig mit Archäologen zusammen, die seine Werksteinkenntnisse schätzten. Die Herkunft der Baumaterialien historischer Gebäude nachzuverfolgen war oft sehr kompliziert. Für Allenstein hatte es den netten Nebeneffekt, dass er sich in vielen alten Bauwerken bestens auskannte, mittlerweile sogar eines seiner Hobbys. Vor diesem Hintergrund bot er gern eine Exkursion zum Thema »Rohstoffgewinnung im Steine-Erden-Bereich und die Probleme bei der Erschließung neuer Vorkommen« an. Dabei ging es ihm nicht nur um die
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