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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod
Autoren: Peter Oberdorfer
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Ansonsten gab es noch Fragmente der alten Möblierung, zum Beispiel die Eckbank, deren eine Hälfte wie eine Schranke in den Raum hineinragte. Auch Schlafzimmermöbel sah ich, und hier und da einige vornehme, teure Möbel aus edlem Holz, die sonst in einem Bauernhaus nicht vorkamen, sich aber gut einfügten.
    »Ich habe den Boden bei der Renovierung eines alten
    Schlosses erstanden, spottbillig. Es ist die Lebendigkeit des Holzes, wissen Sie, die mich fasziniert. Es ist, als würde das Holz, wenn es knackend und knarrend die Schritte eines Menschen aufnimmt, sie speichern und nie wieder vergessen. Alles, was auf diesem Boden jemals geschehen ist, bleibt gegenwärtig. Manchmal, wenn ich allein bin und es ganz still wird im Haus, unendlich still, habe ich das Gefühl, uralte Geräusche zu hören, Stimmengewirr, Schritte, Waffengeklirr. Das ist ein bisschen so wie das Rauschen des Meeres in einer Muschel.«
    Er führte mich zu einer Sitzgruppe. Mein Blick schweifte weiterhin durch den Raum und gelangte an sein offensichtliches Zentrum: die Staffelei. Auf ihr stand eine riesige Leinwand, die mit einem weißen Tuch zugedeckt war. Daneben befand sich ein klobiger Arbeitstisch, der mit einer großen Vielfalt von Farbflecken bedeckt war. Das sah aus, als hätte man eine in voller Blüte stehende Blumenwiese auf eine kleine Fläche zusammengepresst. Dort arbeitete der Maler, mischte und probierte seine Farben. Wir setzten uns.
    »Was führt Sie zu mir, Herr Wachmann?« Er schaute mich an, als hätte er nichts zu verbergen und nichts zu befürchten.
    »Glauben Sie, ich würde mir die Unhöflichkeit erlauben, Sie in der Mittagszeit aufzusuchen, wenn es nicht etwas sehr Wichtiges wäre?«
    Er schwieg.
    »Ich komme in der Sache Kreuziger.«
    »Sonderbare Geschichte.«
    »Finden Sie?«
    »In unserem Dorf hat es so etwas meines Wissens noch nie gegeben. Hier ist noch nie ein Mord passiert,abgesehen natürlich vom Fall Falkenbarth, aber ich glaube bis heute nicht, dass Falkenbarth ermordet worden ist.«
    »Der Fall Falkenbarth, ja, wie lange das schon wieder her ist! - Wussten Sie eigentlich, dass der Sohn der Mühlbacherin«, an dieser Stelle ging ein schmerzhaftes Flackern durch Mannlechners Augen, »am selben Tag geboren wurde wie Franz Kreuziger?«
    »Woher sollte ich das wissen?« Er schien betroffen. »Wissen Sie, als Künstler hat man einen Sinn für Zusammenhänge, Zusammenklänge, die wie zufällig aussehen. Mir scheint, dass Sie da eine bedeutende Entdeckung gemacht haben.« Er schwieg und schien nachzudenken. »Wirklich erstaunlich, geradezu unglaublich«, wiederholte er. »Das hat sie mir nie gesagt.«
    »Wer >sie    »Die Mühlbacherin«, sagte er leise.
    »Der alte Kreuziger sagte mir, er gehe davon aus, dass die Mühlbacherin seinen Sohn aus Rache für ihren Sohn erschlagen habe.«
    »Es war ein Mädchen.«
    »Dann eben aus Rache für ihr Mädchen.«
    »Dass diese Geschichte auch aufgerührt wird. Aber es wundert mich nicht. So ein Unrecht liegt nicht ruhig und reglos in der Vergangenheit, bis ans Ende der Tage. Irgendwann kommt es wieder in irgendeiner Form daher.«
    »Was halten Sie von dem, was der alte Kreuziger gesagt hat?«
    »Was geht mich das an, Herr Wachmann? Das müssen Sie schon selbst wissen, was Sie davon zu halten haben! Das ist doch verrückt, was der sagt.«
    Ich schwieg.
    »Sie haben mir übrigens noch nicht erklärt, warum Sie in dieser Sache zu mir gekommen sind. Was Sie von mir wissen wollen. Stehe ich etwa auch unter Verdacht? Hat mich auch irgendjemand angeschwärzt?«
    »Ich stelle fest, dass unser Gespräch Sie in Unruhe versetzt, Herr Mannlechner. Und ich glaube auch zu wissen, warum.«
    »Wissen Sie auch, dass Sie das einen Dreck angeht!« An seinem Hals wurde dunkelblau und dick eine Ader sichtbar.
    »Das ist die Frage, das ist sehr die Frage, Herr Mannlechner«, sagte ich ruhig. »Ich befürchte, dass mich das alles sehr wohl etwas angeht. Was soll das Theater? Können wir nicht ruhig und vernünftig reden, wie wir immer geredet haben? Sie haben doch bestimmt ein reines Gewissen.«
    Er schwieg und nickte dann. »Was wollen Sie wissen?«
    »Sie waren doch damals auch dabei.«
    Er wusste, wovon die Rede war. »Ja, ja, ich war auch dabei.«
    »Wissen Sie nicht mehr, Sie haben mir doch einmal davon erzählt?«
    »Habe ich das? Schon möglich, schon möglich.«
    »Wissen Sie nicht mehr?«
    »Nein.«
    »An einem Sonntag nach der Messe gingen wir gemeinsam nach Hause. An einem
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