Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Augenschmaus - Das Zombiedorf (German Edition)

Augenschmaus - Das Zombiedorf (German Edition)

Titel: Augenschmaus - Das Zombiedorf (German Edition)
Autoren: Chris van Harb
Vom Netzwerk:
5:36 Uhr
    „ Die Kehle, brutal herausgerissen. Obwohl die Augen ebenfalls fehlen bezweifle ich, dass man sie unter starker Gewalteinwirkung entfernte.“ Gerichtsmediziner Doktor Olaf Ronker strich zur Veranschaulichung mit seinem Zeigefinger über die klaffende Wunde in der sich noch vor kurzem der Kehlkopf befand. Dunkelbraune Blutkrümel bedeckten das eierschalenfarbene Gummi seiner Handschuhe.
    „ Wie darf ich das verstehen? Weg ist weg! Und wenn ich mir das Gesicht der Toten anschaue, sieht es danach aus, als ob sie einen eher unerfreulichen Abgang erlebte.“
    Meiner Stimme versuchte ich einen Hauch Ironie beizumischen um den Würgereiz, der sich trotz der fünf Jahre Berufserfahrung bei solchen Ermittlungen einstellte, zu überspielen.
    „ Schauen Sie hier: Das Hautgewebe am Hals deutet auf eine gewaltsame Entfernung des Kehlkopfs hin. Um die Augenhöhlen hingegen gibt es keine offensichtlichen Verletzungen.“ Als ob es ihm gefiel, über verstümmelte Körperöffnungen zu fahren, ließ Doktor Olaf Ronker seinen Finger in das Loch gleiten, wo sich bei gesunden, und vor allem lebenden, Menschen das Sehorgan befindet.
    „ Soll heißen?“
    „ Ich tippe“, Ronker spitzte seine Lippen und atmete geräuschvoll durch den Mund ein, „auf ein Heraussaugen der Augen.“
    „ Bitte? Welcher Psychopath tut so etwas?“
    „ Das heraus zu finden fällt in Ihr Fachgebiet, Frau Reifh.“
    Die herablassende Art des Gerichtsmediziners missfiel mir vom ersten Zusammentreffen an. Obwohl sein äußeres Erscheinungsbild mein Herz höher schlagen ließ, fand ich seinen Ton mir gegenüber unpassend. Immerhin war ich einige Jahre älter als er. Und länger im Dienst. Aber in unserer heutigen Zeit durften sich Mixes aus George Clooney und Brad Pitt alles erlauben.
    „ Natürlich, Herr Ronker.“ Auf Doktor verzichtete ich absichtlich. Arroganter Schnösel. „Gut, die Augen herausgesaugt und der Kehlkopf herausgerissen. Glauben Sie für die DNA-Analyse abgebrochene Fingernägel oder Hautpartikel im Halsbereich zu finden?“
    „ Wohl kaum denn die Beseitigung des Adamsapfels erfolgte ebenfalls mit dem Mund. Sehen Sie hier, deutliche Bissspuren.“
    Fassungslos blicke ich auf die blutverkrustete, faustgroße Wunde am Hals der Frau und entschied, mir eine kurze Auszeit zu gönnen. Wortlos wendete ich mich ab und ging Richtung Hauseingang. In der Glastür sah ich mein Spiegelbild und erschrak. Nicht so sehr wie beim Anblick der Toten aber nah dran. Vor knapp zwanzig Minuten riss mein Handy mich aus dem „Tiefschlaf“ mit der Information, dass man in meiner Nachbarschaft eine Frauenleiche fand. Für diese ruhige Dorfgegend ein Highlight und darum verwunderte es wenig, dass sämtliche Einsatzwagen mit blinkendem Blaulicht vor dem Tatort standen.
    Meine vom Kopfkissen einseitig plattgedrückte Kurzhaarfrisur lenkte von den aufgequollenen Augen ab, die noch Stunden brauchten, um sich der Wachphase anzupassen. Kleidungstechnisch war ich, abgesehen von dem zermatschten Fleischbrocken auf dem Boden, der absolute Hingucker. Über einer neongrünen Jeans trug ich ein pinkes Mickey Mouse Shirt. Privat bevorzugte ich knallige Farben und in der plötzlichen Hektik, mitten in der „Nacht“, plünderte ich wahllos den Kleiderschrank. Karsten Hanke, mein stets schlechtgelaunter Kollege, reichte mir seine braune Cordjacke. Nette Geste, aber das Teil hing, wie ein ausgewaschener Kartoffelsack an meiner zierlichen Figur und ich bezweifelte, dass ich nun besser aussah. Aber zumindest passender.
    Schnorkheim: Ein kleiner Ort mit weniger als zweitausend Einwohnern. Tendenz sinkend. Die Jugend zog es in die Stadt und die Alten unter die Erde. Neben einem Kleinwarengeschäft, einem Friseur, einem Sportlerheim und einem florierenden Blumenladen direkt neben dem Friedhof, gab es noch die Dorfkneipe. Hier spielte sich das wahre Leben von Schnorkheim ab. Alle Generationen trafen sich, um über brisante Themen wie Lauseier, Kartoffelfäule oder Mottenbefall zu sprechen.
    Jeder kannte jeden und irgendwie waren alle miteinander verwandt. Oberstes Gebot: Nachbarschaftshilfe inklusive einem freundlichen Umgangston. Der letzte Skandal, mein Einzug ins Dorf, lag drei Jahre zurück und schürte die Gerüchteküche. Junge Frau Mitte zwanzig, ledig, leicht untergewichtig mit einer Walther P 99 am Gürtel. Dazu mein extravaganter Kleidungsstil. Wochenlang führte ich neben den Gemüsekrankheiten die Topliste der Kneipenthemen an. Wo kommt die her? Was will die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher