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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod
Autoren: Peter Oberdorfer
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er fürs Erste auch schon zufrieden und ließ mich los. Er schaute mich verächtlich an und schüttelte den Kopf. Dann machte er einen Fehler. Er muss gewusst haben, dass es ein Fehler war. Er machte einen Fehler und es geschah, was geschehen musste. Er drehte sich um und ging ein paar Schritte. Ich folgte ihm, ohne dass ich wusste, warum. Ich bewegte mich wie in einem Sog. Ich folgte ihm vorsichtig, ganz leise. Er musste es bemerken, aber er tat, als bemerkte er es nicht. Oder bemerkte er es wirklich nicht? Jedenfalls blieb er ungefähr da stehen, wo er die Axt angelehnt hatte, aber er bückte sich nicht nach der Axt, nein, einen oder zwei Meter neben der Axt lag die Proviantbüchse, die er zuvor so verächtlich weggeworfen hatte. Und weil er sich nach dieser Büchse bückte, griff ich nach der Axt. Die Axt war federleicht. Ich hob sie, fast unernst, holte aus und ließ sie fallen, und zwar so, dass sie tief in den Kopf von Franz eindrang und ihn spaltete. Franz stieß einen Laut aus, ich habe ihn heute noch im
    Ohr, einen Laut, der beinah wollüstig klang. Die Kraft, sich nach mir umzudrehen, hatte er nicht mehr, es interessierte ihn auch nicht, mich noch einmal zu sehen. Er hatte Wichtigeres im Sinn. Er legte sich bäuchlings ins Gras, probierte wie jemand, der bequem liegen will, mehrere Stellungen aus, atmete und zuckte, bevor sein Blick brach und eine große Ruhe ihn erfasste.«

XII:
    Am Ende der Geschichte knickte sie ein wie eine welke Blume und schien keine Kraft mehr zu weiterem Sprachgebrauch zu haben. Als ich sie fragte, wie das Arrangement mit der Mühlbacherin und dem Mannlechner zur Verschleierung ihres Mordes erfolgt sei, schüttelte sie nur mehr den Kopf. Mochte ja sein, dass sie damit wirklich nichts zu tun hatte. Dass der Mannlechner auf seinem Morgenspaziergang den Mord beobachtet hatte und dann die Mühlbacherin dazugestoßen war und die beiden sich auf die späteren Falschaussagen geeinigt hatten. Lange freilich konnte sich die Anna von ihrer Rede nicht ausruhen. Denn es läutete an der Tür. Sie schaute gar nicht auf und auch ich blieb sitzen. Dann ertönte ein lautes Krachen, eines der Polizeiautos war gegen die Haustür gefahren und hatte sie aufgebrochen. Daraufhin strömte die ganze Masse der schwarz gekleideten Einsatzkräfte - ameisenhaft und so schnell, dass sie ununterscheidbar verschwammen und ineinander übergingen - ins Haus und verteilte sich in alle Himmelsrichtungen, als gelte es das gesamte Haus auszufüllen und zu durchdringen. Die Leute, die in die Stube kamen, zückten sogleich die Revolver und bewegten sich in feierlichen Schritten mit der Waffe im Anschlag auf uns zu, dabei Warnungen ausstoßend, deren Sprachrhythmus auf die Bewegungen genau abge-
    stimmt war. Ich weiß gar nicht mehr, was sie sagten, aber der Auftritt der Truppe war so eindrucksvoll, dass ich das Gefühl bekam, mindestens so schuldig zu sein wie die Mörderin selbst. Als sich die Männer ganz nah an Anna herangearbeitet hatten, erstarrten sie zu einer vielgliedrigen Skulptur, deren Arme mitsamt Revolvern auf Annas Kopf ausgerichtet waren, als gehörte dieser fiebrige Kopf einer Königin, auf die sie, die schwarzen Männer, sich in Anbetung fixierten. Huldvoll hob Anna jetzt ihr Haupt aus der geistigen Abwesenheit, in der sie den Auftritt der Sicherheitskräfte abgewartet hatte, und lächelte verschwommen. Dann betrat Gschnitzer den Raum. Er kam nicht einfach: Er schritt daher, im Bewusstsein, dass hier eine Sache feierlich abgeschlossen wurde. Als der Chefinspektor im Raum war, ging durch die Sicherheitskräfte ein zusätzliches Glänzen. Gschnitzer aber sagte nicht viel. Er sagte nur: »Anna Kreuziger, Sie sind verhaftet, verdächtig des Mordes an Ihrem Ehemann. Abführen!« Die Einheit, die die Männer bildeten, belebte sich augenblicklich und griff auf Anna über, die alles mit sich geschehen ließ. Sie wurde von den Männern erfasst wie Strandgut von einer Welle und sogleich abgeführt. Schritte klapperten, Türen schlugen, ein paar halblaute Appelle ertönten, Motoren heulten und ich saß, rascher, als ich es wahrnehmen konnte, allein in dem schwarz ausgemalten Zimmer. Die Schnapsflasche war noch da. Ich schenkte mir ein und trank auf Anna. Und trank.
    Ich trank einiges. In einer unerträglichen Situation ist der Alkohol ein Mittel, auf das man zurückgreifen kann. Er löst zwar das Problem nicht, entstellt es aber we-nigstens bis zur Unkenntlichkeit. Binnen kurzer Zeit soff ich mich so voll, dass ich
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