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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen
Autoren: Dan Simmons
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herum.
    »Aufhören!« kreischte Natalie, so laut sie konnte. Sie kramte das Streichholzbriefchen heraus, ließ es fallen, rieb ein Streichholz daran, während Nancy Warden ihren Fuß näher zum Bett zog, und versuchte den Kissenbezug anzuzünden. Dieser verkohlte, fing aber kein Feuer. Das Streichholz ging aus.
    Culleys Finger griffen nach ihren Haaren.
    Natalie, die beide Hände noch frei hatte, zündete ein zweites Streichholz an, hielt es an das Streichholzbriefchen und drückte die kurzlebige Fackel an den Kissenbezug, wobei sie dem Impuls, loszulassen, widerstehen mußte, als die erlöschende Flamme ihr die Fingerspitzen versengte.
    Der Kissenbezug ging in Flammen auf.
    Natalie warf ihn mit einer seitlichen Armbewegung auf das Himmelbett.
    Von dem reinen Sauerstoff unter dem Bett genährt, fingen Baldachin, Bettzeug und der Holzrahmen in einem Geysir blauer Flammen Feuer, die zur Decke emporloderten und sich innerhalb von drei Sekunden bis zu allen vier Wänden ausgebreitet hatten.
    Natalie hielt den Atem an, als sie spürte, wie sich die Luft überhitzte, strampelte sich von der brennenden Frau los, die ihren Knöchel festhielt, und stand auf, um wegzulaufen.
    Culley hatte ihr Haar losgelassen, war aber mit ihr aufgestanden. Jetzt versperrte er die Tür wie ein halb ausgeweideter Kadaver, der sich im Zorn vom Autopsietisch erhebt.
    Seine langen Arme packten Natalie und wirbelten sie herum. Sie hielt immer noch den Atem an, als sie die alte Frau auf dem Bett sah, die in einem Ball konzentrierter blauer Flammen zuckte und um sich schlug, während ihr Körper nur aus scharfkantigen Gelenken und Gliedern zu bestehen schien - ein Grashüpfer, der verbrannte und vor Natalies Augen die Form veränderte -, und in diesem Augenblick stieß die Frau auf dem Bett einen einzigen, markerschütternden Schrei aus, der einen Augenblick später von Schwester Oldsmith, Nancy Warden, Culley, dem Leichnam von Dr. Hartman und Natalie selbst aufgegriffen wurde.
    Natalie wirbelte Culley und sich selbst mit letzter Anstrengung herum und zog sich zur Tür hinaus auf den Treppenabsatz, als die zweite Sauerstoffflasche gerade explodierte. Culley fing die volle Wucht der Explosion ab, und einen Augenblick war das Haus vom Geruch verbrannten Fleisches erfüllt. Als sie gemeinsam gegen die Wand an der Krümmung der Treppe prallten, breitete er die Arme aus, und Natalie stolperte auf die Treppe, während der brennende Mann wie ein Taschenmesser über dem Geländer zusammenklappte und hinunter in das Durcheinander fiel.
    Natalie lag mit dem Kopf nach unten auf der Treppe, das Gesicht vor den senkrechten Streben des Geländers. Sie konnte die Hitze der brennenden Decke spüren und die lodernden Flammen als Spiegelungen in den Kristalltrümmern unten sehen, war aber zu müde, sich zu bewegen.
    Sie hatte ihr Bestes getan.
    Kräftige Arme hoben sie hoch, und sie schlug erschöpft um sich, aber ihre Fäuste waren so weich und nutzlos wie Wattebäuschchen.
    »Sachte, Nat. Ich brauche einen freien Arm für Marvin.«
    »Jackson!« Der große farbige Mann trug sie im linken Arm, während er seinen ehemaligen Bandenführer am Hemd mit sich zog. Natalie sah konfuse Bilder eines gläsernen Zimmers, dessen eine Wand eingeschlagen war, hatte den Eindruck, als würde sie durch einen Garten getragen, durch den dunklen Tunnel einer Garage. Der VW-Bus wartete in der Gasse, und Jackson hob sie behutsam auf den Rücksitz und legte Marvin hinten auf den Boden.
    »Herrgott«, murmelte Jackson vor sich hin, »was für ein Tag.« Er kniete sich neben Natalie und wischte Blut und Ruß mit einem feuchten Waschlappen weg. »Mein Gott, Lady«, sagte er schließlich, »wie sehen Sie denn aus?«
    Natalie leckte sich die rissigen Lippen. »Lassen Sie mal sehen«, flüsterte sie. Jackson schob ihr einen Arm unter die Schultern und half ihr beim Aufrichten. Das Fuller-Haus wurde völlig von Flammen eingehüllt, und das Feuer hatte auch auf das Haus von Mrs. Hodges übergegriffen. Durch die Kluft zwischen den Gebäuden konnte Natalie Feuerwehrautos, Autodächer und Köpfe von Polizisten sehen, die die Straße absperrten. Zwei Wasserstrahle wurden wirkungslos in die Feuersbrunst gehalten, während andere Schläuche auf Bäume und Dächer der Nachbarschaft gerichtet waren.
    Natalie sah nach links und erblickte Saul, der sich aufrichtete und kurzsichtig in die Flammen blinzelte. Er drehte sich zu Natalie um, lächelte, schüttelte den Kopf in schläfriger Fassungslosigkeit und
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