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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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seinen Fund dazulassen.
Meine Neugier war geweckt, und ich wollte herausfinden, was es mit
diesem geheimnisvollen Ding auf sich hatte.
Meinen Kollegen sagte ich natürlich nichts davon. Ich konnte mir
vorstellen, was für ein Gelächter meine Erklärung
ausgelöst hätte, daß ich ein Haar aus dem Barte
Mohammeds im Labor untersuchen wolle. Deshalb wartete ich den
Dienstschluß ab und machte mich, als die anderen mit dem Werkbus
nach Sofia abgefahren waren, allein an meine illegale wissenschaftliche
Arbeit.
Übrigens muß ich mich Ihnen wohl vorstellen, bevor ich meine
Erzählung fortsetze. Ich bin Physiochemiker und arbeite im
Chemisch-Technologischen Institut als Assistent am Lehrstuhl für
Elektrochemie. Meinen Namen brauche ich Ihnen vielleicht nicht zu
nennen, er sagt Ihnen ohnehin nichts. Ich gehöre bereits
fünfzehn Jahre zum Stab der wissenschaftlichen Mitarbeiter des
Instituts, habe mir aber noch keinerlei Ruhm erworben. So tut also mein
Name nichts zur Sache.
Zuerst versuchte ich, ein Stück von dem »Haar«
abzutrennen, das ich untersuchen wollte. Ich begann wie mein Freund mit
der Schere, probierte es dann mit einem Meißel und spannte den
Faden schließlich in die große Zerreißmaschine ein.
Der Draht, der weniger als 0,07 mm im Durchmesser maß (etwa die
Dicke eines Menschenhaares – die Hodschas hatten ganz richtig
geschätzt!), hielt die unwahrscheinliche, wunderbare Belastung von
fünf Tonnen aus, obwohl er bei diesem Querschnitt schon bei ein
paar hundert Gramm hätte reißen müssen. Das war
phantastisch. Einen Stoff mit einer solchen Festigkeit gab es
überhaupt nicht.
Er riß auch nicht bei fünf Tonnen, vielmehr rutschte er aus
der Halterung, ohne im geringsten Schaden genommen zu haben. Ich will
Sie nicht mit einer eingehenden Beschreibung aller Untersuchungen
langweilen. Sie waren zahlreich, höchst verschiedenartig und
lieferten alle dasselbe Resultat – ein negatives! Der Faden
riß nicht, ließ sich von keinerlei chemischen Reaktionen
beeinflussen, schmolz selbst in der Flamme des Bunsenbrenners nicht,
erwies sich als elektrisch nicht leitfähig, wurde nicht magnetisch
und so weiter und so fort. Mit einem Wort: Ich erkannte, daß ich
etwas in meinen Händen hielt, das aus einem der Wissenschaft
unbekannten Stoff hergestellt war. Doch was mochte es sein? Und wie war
dieser Faden in den Besitz der türkischen Hodschas gelangt?
Am nächsten Tag setzte ich die Leitung des Instituts offiziell von
der Entdeckung in Kenntnis. Meine Worte wurden mit Verwunderung
aufgenommen, man hielt das Ganze zunächst für einen Scherz,
doch als man sah, daß ich von meiner Behauptung nicht abging,
wurden die Analysen wiederholt. Das Ergebnis war das gleiche. Immerhin
war ich jetzt mit meiner Ratlosigkeit nicht mehr allein.
Auch Losew erschien wieder. Es schmeichelte ihm, daß sich schon
Professoren mit seinem »Haar« beschäftigten, doch er
wurde enttäuscht – ich konnte ihm nichts Neues mitteilen.
Ich bat ihn, uns seinen Fund »fürs erste« zu
überlassen. Der Behälter mit der Spule wurde ins Archiv des
technischen Laboratoriums aufgenommen und in den Büchern unter der
vorsichtigen Bezeichnung »Objekt unbekannter Herkunft«
beschrieben.
Vielleicht hätte die Sache damit ihr Ende gefunden, wenn sich mir
nicht zufällig die Gelegenheit geboten hätte, in die
Sowjetunion zu reisen. Auf meinen Vorschlag hin wurde ich damit
beauftragt, den Fall den Moskauer Kollegen vorzutragen und sie um ihre
Mithilfe bei der Deutung des geheimnisvollen Fundes zu bitten.
Als ich in Moskau ankam, übergab ich das Röhrchen mit dem
Haar einem entsprechenden Institut (meine eigentliche Aufgabe lag auf
einem anderen Gebiet). Ich berichtete dort alles, was ich wußte
und was wir unternommen hatten, und ging meiner eigenen
wissenschaftlichen Arbeit nach.
Zwei Wochen später wurde ich in dem Labor, in dem ich arbeitete,
angerufen und gebeten, mich bei dem Direktor des Instituts, einem
weltbekannten Gelehrten, einzufinden.
Im Empfangsraum der Akademie saßen mehrere Besucher, doch die
Sekretärin überging alle anderen und führte mich in das
Arbeitszimmer des Professors.
Ich mußte noch einmal alles erzählen, was mir im
Zusammenhang mit dem ›Haar aus Mohammeds Bart‹ bekannt
war. »Und jetzt«, begann Lawrenti Pawlowitsch (so
hieß der Professor), »möchte ich Ihnen mitteilen, was
wir herausgefunden haben. Der Faden, der Stab und der zylindrische
Behälter bestehen aus ein und demselben Material, nämlich aus
hochgradig
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