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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Autoren: Julie Kenner
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1
    Ich heiße Lily Carlyle und bin schuld, dass sich die Erde rasant auf die Apokalypse zubewegt.
    Wie würde sich das wohl in eurem Lebenslauf machen?
    Ihr könnt mir glauben, das ist das Letzte.
    Wohlgemerkt: Von Absicht kann keine Rede sein. Man hat mich überlistet und mir weisgemacht, ich würde die Dämonen fernhalten, während ich ihnen in Wirklichkeit einen Platz in der ersten Reihe beim Ende der Menschheit zugewiesen hatte.
    Und ich rede hier nicht von irgendeiner Wischiwaschi-Apokalypse aus dem Internet, wo ein Scherzkeks die Offenbarung liest, von einem Erdbeben auf Taiwan hört und daraus schließt: Das Ende ist nah. Nein, ich rede hier vom WELTUNTERGANG. Vom tatsächlichen Ende der Erde. Wenn die dämonischen Reiter aus ihrem Reich herbeiströmen und sich über die Erde ergießen wie ein Riesenschwarm besonders gefräßiger Heuschrecken, die sich von Qual, Folter, Übel und Lügen ernähren.
    Es werden harte Zeiten anbrechen, das könnt ihr mir glauben.
    Und das habt ihr nur mir zu verdanken.
    Aber noch ist nicht alles zu spät. Wie jeder guter Spieler habe ich noch ein Ass im Ärmel — genauer gesagt zwei Asse.
    Spiele ich das Pik-Ass aus, kann ich den Oris Clef verwenden, einen Schlüssel der Dämonen, den ich aufgespürt und einem Meisterdämon weggeschnappt habe. Der schließt die Pforte nicht zu, sondern auf. Und jeder Dämon, der in unsere Welt übersetzt, schuldet dem Besitzer dieses Schlüssels ewige Treue. Ich wäre dann eine Königin, das mächtigste Wesen auf Erden.
    Allerdings eine Dämonenkönigin, die ihre Macht einem Produkt der Dämonen zu verdanken hätte. Und die dämonische Essenz, die in mir lebte - und die ich mühsam niederzukämpfen, zu verdrängen und zu kontrollieren versuche, um mir wenigstens noch ein Stückchen Menschlichkeit zu bewahren -, würde dann bestimmt die Oberhand gewinnen. Es war so schon schwer genug, sich dagegen zu wehren. Sollte ich einen Kampf riskieren, wenn derart viel Macht auf dem Spiel stand?
    Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dem Wahnsinn Paroli bieten zu können. Aus der Erde würde ich eine Hölle machen, ob ich es nun wollte oder nicht, und aus mir eine Dämonin. Meine Erfolgsgeschichte bislang war alles andere als umwerfend. Ich hatte versucht, meine Schwester zu rächen, und wurde stattdessen umgelegt. Ich hatte versuchte, die Apokalypse aufzuhalten, und hatte stattdessen die Tore sperrangelweit aufgerissen. Nicht gerade vertrauenerweckende Aussichten für meine Karriere als warmherzige Wohlfühl-Dämonenkönigin.
    Aber wir haben ja noch Nummer zwei. Das Herz-Ass, mit dem ich die Neunte Pforte der Hölle tatsächlich endgültig verschließen könnte. Denn wie sich herausgestellt hatte, gab es mindestens noch eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Das Problem dabei: Das Schloss bin ich. Mein Körper. Mein Blut. Ich bräuchte nichts weiter zu tun, als mich in die Höllendimension zu stürzen genau in dem Moment, wo sich die Pforte öffnet.
    Selbstmord begehen? Einen Platz im Himmel kriegen? Nach dem Tod die Auszeichnungen entgegennehmen, die es für die Verhinderung Armageddons mit Sicherheit gibt? Kein Problem, meint ihr?
    Ach, schön wär’s!
    Aber ich kann nicht sterben. Nicht einmal, wenn mir jemand den Kopf abschlägt. Ich wäre immer noch am Leben. Zerstückelt, logisch, aber am Leben.
    Am Leben und leidend. Mein Fleisch würde bis in alle Zeiten brennen. Eine Ewigkeit voll Schmerz, Grauen und äußerster Qual. Voll Folter jenseits alles Erträglichen, ohne jede Aussicht auf ein Entkommen.
    Gütiger Gott im Himmel - angsterfüllt trifft es nicht einmal ansatzweise.
    Ich hatte eine Biografie von Jeanne d’Arc gelesen, und ich möchte schon gern so sein wie sie. Aber wenn ich mir dann ansehe, was ich bin und wer ich bin, muss ich mir eingestehen, ich bin nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt. Ich habe fürchterliche Angst vor Schmerzen. Beim Gedanken an Folter bin ich wie gelähmt. Und wenn ich mir diese Hölle vorstelle, muss ich zugeben, dass die Karriere als Dämonenkönigin zunehmend attraktiver wird.
    Schlimmer als in den Höllenfeuern zu leiden wäre allerdings, den ganzen Planeten im Stich zu lassen. Das ist also im Großen und Ganzen das Dilemma, in dem ich stecke.
    Wie ihr seht, habe ich noch nicht raus, wofür ich mich entscheiden soll, denn beide Möglichkeiten sind beschissen.
    Aber unser aller Ende naht mit Riesenschritten.
    Bald werde ich mich entscheiden müssen. Und ich kann nur hoffen, ich treffe die richtige
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