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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Autoren: Julie Kenner
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forderte nun mich auf, ihr zu folgen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich kletterte über den Boden, der sich schon wieder krümmte und verzog. Die Bestie tauchte auf, stinksauer und wild entschlossen, mich an der Flucht zu hindern.
    Der verdammte Tentakel schoss einmal mehr in die Höhe - und noch eine zweiter. Nur, dass diesmal auch noch der Kopf des Monsters folgte - in voller Größe. Er öffnete den Mund, Millionen Fliegen surrten heraus und umschwirrten mich, landeten auf meinen Augen, in den Haaren, in den Ohren, bedeckten mein ganzes Gesicht. Ich schlug um mich, duckte den Kopf weg und wollte fliehen - und den Würgreiz unterdrücken -, aber, um die Wahrheit zu sagen, ich war nicht schnell genug. Die Insekten erfüllten ihre Aufgabe. Und während ich noch versuchte, mich durch diese dichte, lebende Masse zu zwängen, schlang sich etwas Dickes, Kaltes um meine Knöchel.
    Rose schrie auf, ich drehte mich um und stach wie rasend mit dem Messer auf den Tentakel ein. Eine Hälfte von mir hatte Angst, ich würde den Fangarm verfehlen und mein Bein treffen, der anderen Hälfte war es egal, ob ich alle Gliedmaßen einbüßte, Hauptsache, ich käme frei.
    Es half alles nichts.
    Penemue zog mich geradewegs auf die Hölle zu. Ich packte den Tentakel und versuchte, ihn mit den Fingern zu lösen. Dabei blickte ich hoch und starrte dem Dämon mitten ins Gesicht. Direkt in die Augen.
    Ach, du Scheiße.
    Ich spürte das Klicken - das scharfe Zerren, das ich immer fühlte, wenn ich in eine fremde Gedankenwelt gezogen wurde. Noch eins meiner kleinen Talente, dazu eins, das mir momentan alles andere als willkommen war. Aber ich konnte es mir nicht aussuchen, denn schon war ich drin. Um mich herum nur blanker Horror, Feuer und Schmerz, und, oh mein Gott, meine Haut - meine Haut brannte, das Fleisch kringelte sich und zerfiel zu Asche. Ich sah zu, litt und weinte, und dann begann alles von vorne. Der Schmerz war so stark, ich könnte schwören, er führte ein Eigenleben, und ich konnte nichts tun außer schreien und schreien und schreien und …
    Klick!
    Die Verbindung brach ab. Entsetzt schloss ich die Augen. Der Reflex erlöste mich von dem Horror. Einem Horror - das war mir klar -, der mir bevorstand, wenn ich tat, was getan werden musste. Wenn ich die Märtyrerin spielte. Wenn ich mir die Verantwortung auflud und die Erde rettete.
    Ich holte tief Luft, um mein Zittern unter Kontrolle zu bringen.
    Allmächtiger, woher sollte ich bloß den Mut dafür nehmen?
    »Lily!«
    Roses Stimme durchdrang meine Angst und meinen Selbsthass.
    Jetzt sofort brauchte ich diesen Mut nicht. Jetzt sofort musste ich nur schleunigst verschwinden.
    Mit neu entfachter Willenskraft rollte ich mich zur Seite. Der Tentakel zerrte nach wie vor an meinem Bein. Diesmal rammte ich das Messer in den Boden und setzte all meine Kraft ein, um den Fall in den Abgrund zu verhindern. Ich drückte das Messer in einen Spalt im Estrich und packte den Griff. Mit der freien Hand hielt ich mich an einem vorstehenden Metallstück fest und versuchte, mich daran hochzuziehen. Meine Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt.
    »Es tut sich nichts«, rief Rose. »Die Knöpfe funktionieren nicht.«
    In Ordnung, ich gebe es zu, mein derzeitiges Interesse am Zustand des Fahrstuhls hielt sich in Grenzen, obwohl ich mir natürlich wünschte, dass meine Schwester hier rauskäme. Bald schon würde sie wohl massenhaft Zeit für ihre Flucht haben. Denn wenn der Dämon erst mal mich und den Schlüssel in den Klauen hatte, würde er sich um sie nicht mehr groß scheren.
    Allerdings befürchtete ich, dem Dämon könnte klar werden, dass er über sie an mich rankäme. Wenn er sie als Geisel nähme, würde ich mich vor lauter Kooperationsbereitschaft schier überschlagen. Ich wusste das und, so fürchtete ich, der Dämon ebenso.
    Meine Ängste wurden prompt bestätigt. Der Druck des Tentakels um mein Bein ließ nach. Ich schrie vor Zorn und Panik auf, als der Fangarm vorschnalzte und sich Rose um die Taille legte.
    Sie heulte los und hackte mit dem Messer sinnlos auf den Fangarm ein, der sich weigerte, sie loszulassen. Ich rannte ihr zu Hilfe, stieß dem Tentakel das Messer rein, drehte die Klinge in der Wunde, doch der schien immun gegen Schmerzen zu sein.
    »Er drückt immer fester! Lily, oh Gott, mach, dass es aufhört!«
    Ich rammte das Messer tief in das schwammartige Fleisch und begann zu sägen. Ich wünschte, die Klinge wäre gezackt, denn, falls notwendig, würde ich die
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