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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub
Autoren: Olga A. Krouk
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Prolog
    „Ich erbitte Deine Vergebung, oh Herr, und erflehe … erflehe …“ Der Pater schluchzte, hob den Kopf, als müsse er gegen eine schwere Last ankämpfen, und suchte den Blick des gekreuzigten Heilands. „Halte uns auf!“
    Doch es kam ihm vor, als habe sich das Antlitz Jesu von ihm abgewandt und die Worte zerschellten an der stummen Abweisung. Er presste die Hände fester zusammen und kroch auf Knien an den Altar.
    „Wenn Dein Wille geschehen soll, oh Herr, dann gib mir Kraft.“
    Die Kerzen flackerten. Ein Schatten zuckte über das Gesicht Jesu. Die Worte des Gebetes vermischten sich mit dem Wirrwarr seiner Gedanken: Heuchler! Verraten und verkauft hast du ihn. Er schloss die Augen und sah im Geiste Judas’ Ende: An einem Strick pendelt sein Körper hin und her, knackt, und der Bauch erbricht die Gedärme auf die Erde. Die Szene hatte sich in sein Hirn gebrannt, so oft hatte er die Bibelstelle in den letzten Tagen gelesen.
    Das Klopfen an der Tür durchzuckte ihn wie ein Stromschlag.
    Mit pochendem Herzen taumelte er den Gang entlang. Nach einigen Schritten stolperte er und schaute instinktiv zu Boden, auf dem zwei grob gehobelte Balken ein Kreuz bildeten. Übelkeit stieg in ihm auf, er presste die Hand vor den Mund und torkelte wie ein Betrunkener zur Eingangstür. In den Tiefen seiner Kutte ertastete er den Schlüssel und öffnete den Riegel. Die Angeln ächzten, als die massive Holztür nach innen schwenkte.
    Im Straßenlicht sah er drei Gestalten in langen Mänteln. Einer der Ankömmlinge trug eine Sporttasche über der Schulter. Mit seiner massiven Statur sah er aus, als könne er die beiden anderen unter einen Arm klemmen und forttragen. Feiner Schnee fiel vom Himmel und bestreute die schwarze Wolle seiner Kleidung.
    Als der Pater aus der Kirche trat, blies ihm eine Böe das Weiß ins Gesicht und reizte seine Haut. Er schlang die Arme um seinen Körper und ließ seinen Blick über den Vorplatz schweifen. Weiter hinter den Bäumen am Fuße des Kirchenhügels ruhte sein Dorf, ohne zu ahnen, durch welches Sakrileg dieser Ort heute Nacht entweiht werden würde.
    „Pater Preschke.“ Eine der Gestalten schritt auf ihn zu und der Pater erkannte den Mann namens Tilse. Ihm hatte er damals die Angelegenheit anvertraut. „Darf ich Ihnen unseren Spiritus Rektor vorstellen? Bertram Friedmann.“
    Der Pater hielt inne. Das Oberhaupt persönlich! Aber was hatte er in dieser Situation anderes erwartet? Er streckte seine klamme Hand aus und flüsterte den Leitspruch: „Inter spem et metum.“
    Doch sein Gast drängte ihn grußlos zur Seite und trat ein. Tilse und das Muskelpaket mit der Sporttasche folgten.
    „Eine schöne Kirche.“ Friedmann nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an und putzte sie mit einem Taschentuch. „Ich hoffe, die nächsten Tage wird uns niemand stören?“
    „Die nächsten Tage?“ Preschke schluckte. „So lange kann doch keiner durch-halten.“
    „Man weiß ja nie.“ Ein Lächeln huschte über Friedmanns mageres Gesicht. Er zog seine Lederhandschuhe aus und klopfte damit den Schnee vom Mantel.
    „Keiner wird uns stören.“ Der Pater zupfte an seinen Ärmeln. Tage. Bei diesem Gedanken lief ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Die Kirche wird geschlossen. Das Bistum muss sparen.“
    Friedmann rümpfte seine spitze Nase. „Verschonen Sie mich mit Ihren Klagen!“ Festen Schrittes marschierte er zum Altar. „Wissen Sie, ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, ob diese Welt überhaupt gerettet werden sollte. All diese Ungläubigen da draußen. Wen schert es, ob sie untergehen?“ Preschke eilte ihm nach. Hinter ihm hörte er die Schritte der anderen zwei. Sie schienen ihm wie Aufseher zu folgen, die einen Verurteilten auf seinem letzten Gang eskortieren. „Doch leider gilt: ganz oder gar nicht. Und die anderen liegen mir sehr am Herzen. Auch wenn es nur sechs Prozent in diesem bedauernswerten Bundesland sind.“ Das Oberhaupt machte eine Pause und drehte sich um. „Das Geld haben wir bereits auf Ihr Konto überwiesen.“
    „Dreißigtausend Mark“, bestätigte Tilse. Er zog seinen Mantel aus und warf ihn über eine Banklehne. Der dunkelblaue Pullover betonte seine sportliche Figur, zusammen mit der Bügelfaltenhose vermittelte seine Kleidung einen legeren und stilvollen Eindruck.
    „Dreißig?“ Der Pater leckte über seine Lippen. „Aber es wurden nur fünfund-zwanzig vereinbart.“
    Die grauen Augen des Spiritus Rektors glänzten unter den buschigen
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