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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub
Autoren: Olga A. Krouk
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Brauen. „Man soll die Tradition wahren. Falls Sie einen Rat wollen: Gebrauchen Sie Ihre Silberlinge klug. Also, wo ist der Junge?“ Preschke stützte sich mit beiden Händen auf die Banklehne. Seine Beine schlotterten und drohten jeden Moment einzu-knicken. Friedmanns Tonfall verhärtete sich. „Ich hoffe, es gab keine Kompli-kationen?“
    Nein. Keine Komplikationen, wollte der Pater sagen, doch ganz andere Worte kamen über seine Lippen. „Wir handeln gegen Gottes Willen.“
    Friedmann zog die Brauen zusammen und fuhr durch sein weißes Haar. Für einen Moment verharrte er und breitete dann seine Arme aus, wie bei der Erteilung eines Segens.
    „
Gott schuf den Menschen als sein Abbild. Als Mann und Frau schuf er sie
.“ Die tiefe Stimme hallte in den hohen Wänden wider. „
Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen
.“ Einen Augenblick lauschte er dem Nachhall seines Echos. „Diese Welt gehört uns und sie aufzugeben bin ich nicht bereit. Also, wo ist er?“
    Preschke spürte, wie Tränen seine Wangen benetzten. Er schielte zum Beicht-stuhl und hoffte, die anderen hätten es nicht bemerkt. Sein Blick folgte der Fuge zwischen zwei Steinplatten auf dem Kirchenboden und blieb auf Friedmanns polierten Schuhen haften.
    „Ausgezeichnet“, hörte er sein Oberhaupt sagen. „Bringt ihn her.“
    Das Muskelpaket warf die Sporttasche auf den Boden und ging an dem Pater vorbei. Zimtparfüm wehte Preschke entgegen und erinnerte ihn an Weihnachten. Die Tür zum Beichtstuhl quietschte. Die Angeln müssten geölt werden, kam ihm in den Sinn, und einen Moment überlegte er sogar, wo das Ölfläschchen stand, bis ein Ausruf seinen Gedankenfluss unterbrach.
    „Aua! Das Balg hat mich getreten!“
    Friedmann seufzte und rieb sich das Nasenbein unter der Brille. „Mein lieber Köhler, so gut wie Sie gepolstert sind, werden Sie es doch mit einem Achtjährigen aufnehmen können, oder?“
    Bitte!
An seiner Brust ertastete Preschke das Kreuz.
Wenn Dein Wille geschehen soll, halte uns auf!
    Ein Schnaufen, Schritte und schleifende Geräusche kamen näher und verhallten. Der Pater bebte mit jeder Zelle seines Körpers, wagte nicht, aufzuschauen.
    „Wie ist sein Name?“
    Stille.
    „Wie – ist – sein – Name?“
    „J-jonathan“, stotterte der Pater.
    Als er aufblickte, begann sein Herz schneller zu pochen und das Blut durch die Adern zu jagen. In der Hoffnung, es wäre tödlich, hatte er Jonathan die dreifache Dosis Valium gegeben. Aber es wollte nicht wirken. Seine Hand spürte noch immer die Schwere des Messingkruzifixes, mit dem er das Kind zusammenge-schlagen hatte, um es fesseln und knebeln zu können. Die Kante hatte auf der Stirn und der Schläfe des Jungen tiefe Male hinterlassen, das Blut verklebte die rabenschwarzen Haare.
    „Jeho-nathan.“ Lächelnd tätschelte Friedmann dem Jungen die Wange. „Gottes Geschenk. Ich hätte gern erfahren, woher seine Eltern wussten, was sie da bekom-men haben. Oder sind Engel immer noch als Kundschafter im Dienst?“
    Ein protestierendes Stöhnen ertönte durch den Knebel.
    Preschke schloss die Augen und in seinem Geist schwebte das Kreuz, über das er gestolpert war, und er sah Blut vom dunklen Holz in den Staub tropfen. Als er die Lider aufriss, traf er Jonathans Blick. Die schwarzen Augen wirkten matt.
    „Er ist doch nur ein Kind“, stieß Preschke hervor.
    Die Altarkerzen flackerten auf. Eine Flamme zuckte und erlosch, der Docht stieß einen Rauchfaden hoch. Zusammen mit dem blauen Dunst stieg Friedmanns Lachen zu den Kirchengewölben.
    „Oh nein, ein Kind würde jetzt weinen und nach seiner Mama rufen.“ Er befreite den Jungen vom Knebel, fasste sein Opfer am Kinn und drückte das blasse Gesicht nach oben. „Sag uns, was du bist, Jonathan. Gehörst du in unsere Welt? Ist es wirklich ein Verbrechen, dir das Leben zu nehmen?“ Die Worte verhallten, lösten sich auf wie der Rauch der ausgeblasenen Kerze. Friedmann schnaubte, holte aus und ohrfeigte das Kind. „Ich habe dich etwas gefragt!“
    Blut trat auf die Unterlippe des Jungen. Er hob das Gesicht und sah seinen Peiniger an.
    „Sie schlagen mich? Macht er Sie stärker, der Gedanke daran, dass Sie mir wehtun können?“
    Friedmann verengte die Augen. Er packte den Jungen an den Haaren, riss ihm den Kopf herum und zwang ihn, das
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