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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub
Autoren: Olga A. Krouk
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Kreuz am Boden anzuschauen.
    „Wer gekreuzigt wird, ist von Gott verstoßen“, zischte er ihm ins Ohr. „So steht es in der Bibel geschrieben. Erzähl mir: Wie fühlt es sich an, wieder im Stich gelassen zu werden? Bist du überhaupt fähig, irgendetwas zu empfinden? Oder ist die grenzenlose Liebe alles, was dir gegeben wurde?“
    „Von Liebe kann hier kaum die Rede sein.“
    „Ich werde dich vernichten!“ Friedmanns Hand krallte sich fester ins Haar. „Hörst du? Niemand, absolut niemand kann dir helfen! Du wirst qualvoll sterben und glaube mir, diesmal wirst du nicht auferstehen!“
    Preschke sah zu seinem Oberhaupt auf, dessen Blick hin und her huschte. Hatte er Angst? Aber wenn sogar der Spiritus Rektor diesem Kind nicht standhalten konnte, wer dann? Er schielte zum Kreuz auf dem Boden. Wer würde die Kraft aufbringen, das Nötige zu tun?
    Wenn es Dein Wille ist

    Tilse seufzte und kratzte sich an dem Muttermal, das seine Oberlippe verun-staltete, dem einzigen Makel auf seinem wohlgeformten Gesicht. „Ich weiß nicht. Der Bastard sieht so gewöhnlich aus, auch wenn er nicht gerade wie ein Achtjähriger spricht.“
    „Was haben Sie erwartet?“ Friedmann lächelte. „Einen Heiligenschein und ein Paar Flügel? Vielleicht auch eine Harfe dazu? Ach nein, er ist ja kein Engel.“
    „Naja“, Köhler schüttelte den Jungen, „trotzdem muss er nicht unbedingt …
er
sein. Woher sollen wir das wissen?“
    Friedmann führte die Hand unter seinen Mantel. „Das werden wir gleich erfahren. Oder ob es Pater Preschke bestimmt ist, hier und jetzt zu sterben.“
    Im nächsten Augenblick sah Preschke etwas Metallisches aufblitzen und spürte, wie Stahl seine Gedärme durchbohrte. Er keuchte und presste die Hand an den Bauch. Das Blut quoll durch seine Finger. Verblüfft betrachtete er seine rot-glitschige Hand und schaute zu Friedmann auf. Sein Oberhaupt lächelte und drehte das Messer in der Wunde. Preschke schrie auf, während seine Beine einknickten und er auf dem Boden zusammensackte.
    Friedmann zerrte den Jungen am Hemdkragen zu sich. Er schnitt das Zingulum durch, mit dem die Arme des Jungen hinter dem Rücken gefesselt waren. Vorsichtig drehte Jonathan die wund gescheuerten Handgelenke, reckte die Finger und wischte sich die schwarzen Haarsträhnen aus der Stirn.
    „Soll ich auch Wasser in Wein verwandeln, oder geht’s auch so?“
    Sein Peiniger bog ihm den Arm herum und ritzte mit dem Messer eine Wunde in die Handfläche. Jonathan verzerrte das Gesicht. Das Blut lief über seine Finger und tropfte auf den Boden. „Ist es Gottes Wille, Jonathan, dass der Pater stirbt? Oder meiner? Vielleicht auch deiner, weil der Gute dich verraten hat?“
    Friedmann legte ihm seine Hand in den Nacken, fast freundschaftlich und gleichzeitig mit einer Bestimmtheit, als reiche nur eine Bewegung, um dem Jungen das Genick zu brechen.
    „Zeig uns, was du kannst, Geschenk Gottes.“ Mit der Schuhspitze schlug er dem Jungen in die Kniekehlen und zwang ihn herunter.
    Bitte!
, flehte Preschke in Gedanken.
Ich will nicht sterben!
Er atmete flach und merkte, wie sein Oberhaupt Jonathans Hand auf die Wunde drückte. Es passierte nichts.
    „Na wird’s bald?“, zischte Friedmann und winkte Tilse heran.
    Der Mann drehte dem Jungen den anderen Arm auf den Rücken, verstärkte den Druck, bis ein trockenes Knacken und Jonathans Aufschrei ertönte, in dem Fried-manns melodische Stimme fast unterging:
    „Tut es sehr weh? Das ist natürlich eine dumme Sache. Denn wir haben Zeit und können lange so weiter machen.“
    In den Augen des Jungen glänzten Tränen. „Bei uns im Heim sagt man: Sie können mich mal.“
    „Aber Jonathan! Was ist das für eine Ausdrucksweise?“ Er schnippte und Tilse zerrte an dem gebrochenen Arm.
    Pater Preschke hielt sich die Ohren zu, trotzdem hörte er Jonathan aufschreien. Gleichzeitig fühlte er, wie Kälte sich in seinem Körper ausbreitete und die Glieder lahm legte. Mit zitternden Fingern berührte er Jonathans Hand, die auf seine Wunde drückte.
Hilf mir! Ich flehe dich an, lass mich nicht sterben!
    Der Junge schloss die Augen. Seine Stimme klang schwach. „Wenn es Sein Wille ist, so sei dir gegeben, was du dir wünschst.“
    Er öffnete die Lider. In den schwarzen Augen sah Preschke Feuer ausbrechen und hatte das Gefühl, in den Schlund eines Vulkans zu stürzen.
    „Kether“, flüsterten die bleichen Lippen.
    „Hebräisch?“, murmelte Köhler. „Nicht Latein?“
    „Wollen Sie ihm jetzt Tipps
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