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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Autoren: Julie Kenner
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Sonnenstrahlen, die durch die schmutzigen Fenster fielen, tauchten den Hausflur in ein seltsames nebliges Licht. Während sie erschöpft hinter ihm die Treppen hinunterlief, nagte die Frage an ihr, ob sie vielleicht schon zu weit gegangen war. Hatte sie ihre Magie etwa nicht mehr im Griff?
    Viel zu leicht ließ sie sich von Sam zu diesen Ritualen überreden. Immer weiter hatte sie ihre Grenzen verschoben, bis der Übergang von ihrer eigenen Magieebene in die der Dämonen ihr so leichtfiel wie einkaufen. Zu leicht. Sie sah auf ihre Hände hinab, die aussahen, als wären sie in einen Fleischwolf geraten, und begann zu zittern.
    Plötzlich begann der Papagei zu schimpfen, seine Stimme war ein zerhacktes Krächzen. »Fleisch ... Bluuut... Bluut...«
    Babel lief schneller. Hoffentlich hörten die Nachbarn nichts. In diesem Viertel konnte sie sich jedenfalls eine ganze Weile nicht mehr blicken lassen, so viel stand fest.
    Während Sam vor ihr die Treppe hinuntersprang und rief: »Was für eine Party! Was für ein Geburtstag!«, überkam sie auf einmal das beängstigende Gefühl, dass ihre Liebe zu ihm keine Zukunft besaß. Er war wie ein Abgrund, in den man so lange hineinstarrt, bis man hinunterspringen will.
    Dabei wusste sie doch, warum er so versessen darauf war, dass sie in seiner Gegenwart Dämonen beschwor. Er wollte wissen, was genau sein Vater war. Was er selbst zu einem Teil war. Die andere Ebene faszinierte ihn. Nicht alle Dämonenkinder erfuhren je, was sie wirklich waren, wenn es ihnen niemand sagte. Dann verbrachten sie ihr Leben damit, sich zu wundern, warum sie tief in ihrem Inneren immer wieder diesen Drang verspürten, etwas zu zerstören oder anderen Schmerzen zuzufügen. Manchen gelang es, diesen Drang zu unterdrücken, andere dagegen schrieben mit ihren blutigen Taten Geschichte.
    Sam wusste, wer er war. Er war während eines Rituals gezeugt worden, bei dem ein Hexer einen Dämon beschworen hatte, um ihn etwas zu fragen. Pech nur, dass der Hexer die Kontrolle über den Dämon verloren hatte und dieser sich eine Zeit lang dessen Körpers bemächtigt hatte. So hatte der Dämon mit Sams Mutter ein Kind gezeugt, das weder ganz menschlich noch ganz dämonisch war. Der Hexer hatte Sam zwar aufgezogen, aber nie vergessen, wessen Sohn er war. Kein Wunder also, dass Sam schon mit dreizehn von zu Hause abgehauen war und sich seitdem durchs Leben schlug.
    Babel kannte seine Geschichte und hatte ihn deshalb bewundert. Seinen Einfallsreichtum, seine Zähigkeit, seinen unermüdlichen Überlebenswillen und ja, auch seine Härte, wenn es darum ging zu bekommen, was er wollte, und es gegen alle Widrigkeiten zu verteidigen. Er war wie Prince Charmings böser Zwilling, der Junge, vor dem Mütter ihre Töchter warnten, und Babel begriff zum ersten Mal, warum.
    Es schien, als könne Sam all die düsteren Gedanken lesen, die ihr in den dunklen Stunden des Tages in den Sinn kamen. Er kannte sie wie niemand zuvor - und hatte sie sich das nicht immer gewünscht? Jemanden, der sie so liebte, wie sie war? Der keine Forderungen an sie stellte, sie nicht verändern wollte? Wenn er sie ansah, als könne sie alles erreichen, was sie sich vornahm, dann konnte sie fast selbst daran glauben. Nie zeigte er Angst, wenn sie ein neues Ritual ausprobierte, und stundenlang konnte er Anweisungen aus alten Texten für sie herausschreiben. Mit ihm schien es keine Grenzen zu geben, nichts, was verboten war. Als hätte er all die Ängste, die andere Menschen befielen, schon längst hinter sich gelassen - und um diese Furchtlosigkeit hatte sie ihn beneidet.
    Aber zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie wirklich so werden wollte wie er. Waren sein Geruch und seine Küsse so verlockend, dass sie alle Warnungen in den Wind schoss?
    Halte dich von Dämonen fern!
    Und auch von ihren Kindern.
    Aber sie war nicht nur verliebt in diesen Jungen, es war viel schlimmer. Er war ihr unter die Haut gekrochen und hatte sich dort festgesetzt - und allein bei dem Gedanken daran, nicht mehr in seiner Nähe zu sein, wurde ihr erneut übel.
    Aber auch dagegen musste es ein Heilmittel geben. Vielleicht sollte sie Judith um einen Trank bitten. Ihre Schwester war gut in solchen Dingen. Sie hatten sich zwar seit vier Monaten nicht mehr gesehen, aber das hieß nichts. Wenn es hart auf hart ging, würde Judith ihr beistehen. Und wenn das nichts half, dann musste sich Babel eben häuten, um Sam loszuwerden - und mit ihm all die Gefühle, die sie an ihn banden ...
     
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