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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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Kapitel 1

    Fragment aus den
    Erinnerungen des Ludlow Fitch
    A ls ich die Augen aufschlug, ahnte ich, dass jeden Moment etwas Schlimmes passieren würde – schlimmer als alles, was ich in meinem elenden Leben bisher erlebt hatte. Ich lag auf dem kalten Lehmboden eines Kellerraumes im Licht einer einzigen Kerze, die höchstens noch eine Stunde brennen würde. Irgendwelche medizinischen Instrumente hingen an Haken von den Balken. Dunkle Flecken auf dem Boden ließen mich sofort an Blut denken. Aber es war der Stuhl an der gegenüberliegenden Wand, der meine böse Vorahnung endgültig bestätigte. Feste Lederriemen an Armlehnen und Beinen waren nur zu einem einzigen Zweck daran befestigt: um zappelnde Patienten festzuhalten. Ma und Pa beugten sich über mich.
    »Er ist wach«, krächzte Ma aufgeregt.
    Pa zerrte mich hoch. Er drehte mir den Arm auf den Rücken und hielt mich mit eisernem Griff fest. Ma hatte mich an den Haaren gepackt. Ich sah von einem zum anderen. Ihre grinsenden Gesichter waren nur Zentimeter von meinem entfernt. Ich brauchte sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass ich mir von meinen Eltern keine Rettung erhoffen durfte.
    Ein anderer Mann, der sich bisher im Halbdunkel verborgen hatte, trat hervor und fasste mich am Kinn. Er riss mit Gewalt meinen Mund auf und fuhr mit einem schwärzlichen, stinkenden Finger über mein Zahnfleisch.
    »Wie viel?«, fragte Pa lechzend vor gespannter Erwartung.
    »Nicht schlecht«, sagte der Mann. »Drei Pence das Stück. Zusammen vielleicht zwölf.«
    »Abgemacht«, sagte Pa. »Wer braucht denn Zähne?«
    »Irgendjemand schon, hoffe ich«, antwortete der Mann trocken. »Schließlich lebe ich von ihrem Verkauf.«
    Da lachten sie alle drei, Ma, Pa und Barton Gumbroot, der berüchtigte Zahndoktor aus der Old Goat’s Alley.
    Nachdem man sich über die Kaufsumme für meine Zähne geeinigt hatte, ging alles schnell. Gemeinsam zerrten sie mich zu dem Zahnarztstuhl. Ich stieß um mich, ich tobte und schrie und spuckte und biss; leicht würde ich es ihnen nicht machen. Ich wusste, wie Barton Gumbroot sein Geld verdiente: Er suchte sich arme Leute, zog ihnen die Zähne, zahlte ein paar Pennys dafür und verkaufte sie für das Zehnfache weiter. Panische Angst stieg in mir auf. Ich war dem Zahndoktor hilflos ausgeliefert. Ich würde alles spüren. Das Zucken von jedem Nerv.
    Zu dritt rückten sie mir zu Leibe, um ihr böses Werk zu vollbringen. Ma befestigte mühsam eine Schnalle um mein Fußgelenk, wobei ihre Hände noch von den Auswirkungen des gestrigen Besäufnisses zitterten, und Pa versuchte, mich im Stuhl niederzudrücken. Barton Gumbroot aber, dieses abscheulicheMonster, stand schon mit seiner glänzenden Zange bereit, kichernd und sabbernd, und ließ sie auf-und zuschnappen, auf und zu. Bis heute bin ich der festen Überzeugung, dass es für ihn das größte Vergnügen im Leben war, anderen Schmerz zu bereiten. So gierig war er, dass er das Warten nicht länger ertrug, und im nächsten Augenblick spürte ich schon das kalte Metall seines Folterinstruments an einem vorderen Schneidezahn. Er stützte sich mit einem Bein auf meiner Brust ab und fing an zu ziehen. Ich kann den Schmerz nicht beschreiben, der mir jäh durch den Schädel schoss, durch das Hirn und in jeden Nerv meines Körpers. Es war ein Gefühl, als würde mir der Kopf abgerissen. Leicht bewegte sich der Zahn schon im Kiefer, und hinter meinen Augen explodierte ein zweiter, glühend heißer Schmerz. Ma und Pa lachten die ganze Zeit wie Verrückte.
    Da schwoll in mir der Zorn an wie eine riesige Woge. Ich hörte ein Brüllen, das einem wilden Tier aus dem Dschungel alle Ehre gemacht hätte – ich war plötzlich von heller Wut gepackt. Mit aller Kraft rammte ich Pa mein freies Bein in den Bauch und er fiel zu Boden. Barton, der völlig verblüfft war, ließ die Zange los, ich fing sie auf und schlug sie ihm an den Kopf. Ich löste die Schnalle an meinem anderen Bein und sprang vom Stuhl herunter. Pa lag stöhnend auf dem Boden, Barton stand gegen die Wand gelehnt und hielt sich den Kopf, und Ma kauerte in der Ecke.
    »Schlag mich nicht«, winselte sie. »Schlag mich nicht.«
    Ich will nicht leugnen, dass ich versucht war, es doch zu tun, andererseits war dieser Augenblick meine einzige Chance zur Flucht. Pa war schon fast wieder auf den Beinen. Ich ließ dieZange fallen, war im Nu aus der Tür, rannte die Treppe hinauf und hinaus auf die Gasse. Ich hörte Ma rufen und Pa schreien und fluchen. Jedes Mal, wenn
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