Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
Verbindung treten können. Diese überaus
wichtige und hochinteressante Erscheinung, die einen wesentlichen Teil
der menschlichen Natur ausmacht, hat unter den Bezeichnungen
Telepathie, Psychomagnetismus, Bioelektrizität,
Gedankenübertragung, Fernhypnose und was sonst auch immer von
jeher endlose Streitereien, Zweifel, Vorurteile und erbitterte
Kämpfe zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie aus gelöst,
und das wiederum ist der Grund dafür, daß ihre Erforschung
so sehr zurückgeblieben ist.
Im Leningrader Institut für Neurokybernetik war es jedoch bereits
gelungen, die vom Gehirn ausgehenden Omegawellen aufzufangen und
festzuhalten, um sie zu reproduzieren und auf die entsprechenden
Zentren der Hirnrinde einwirken zu lassen.
Man schlug vor, den Versuch mit mir zu machen. Ich erklärte mich bereit.
Zu diesem Zweck mußte ich die Klinik des Instituts aufsuchen, und
zwar als »Patient«. Dort wurde ich so gründlich
untersucht, daß ich mich jetzt mit Fug und Recht als den
besterforschten Menschen der Welt bezeichnen kann.
Endlich brach der lang ersehnte Tag an. Man führte mich in den
Experimentiersaal. Die vier Wände des großen Raumes waren
von zahllosen Apparaten verdeckt, vor denen, mit dem Rücken zur
Mitte des Saales, ein paar Dutzend Mitarbeiter des Instituts an ihren
Pulten saßen, um die Angaben der Meßinstrumente und die
Signale auf den Bildschirmen zu verfolgen. In einer Ecke, neben der
zentralen Schalttafel, hatte die Kommission Platz genommen, die das
Experiment leitete.
Ich weiß nicht, was Sie an meiner Stelle empfunden hätten,
mir wurde jedenfalls bei diesem Anblick recht beklommen ums Herz.
Ich wurde auf einen Sessel festgeschnallt, so daß ich mich nicht
mehr rühren konnte. Dann senkte sich langsam die Haube mit dem
Omegastrahler auf mich herab. Ich spürte die kalten
Metallelektroden an meiner Haut, und mir war, als nehme ein
Tiefseeungeheuer meinen Kopf in seine Fänge.
»Regen Sie sich nicht auf! Beruhigen Sie sich!« sagte eine
mir unbekannte Stimme. »Wir machen zunächst einige
Einstellungsproben.«
Ein paar Minuten verstrichen in gespannter Erwartung. Ich empfand gar
nichts. Hatten wir uns etwa geirrt? Vielleicht wirkten die Signale gar
nicht auf menschliche Gehirne! Oder fanden die Kollegen nicht die
richtige Einstellung? Ich wußte nicht, daß sie in diesem
Augenblick nur die Kurven meiner nervlichen Erregung auf dem Bildschirm
beobachteten und darauf warteten, daß ich mich beruhigte. Denn
der Sessel und die Haube waren an viele Geräte angeschlossen, die
nicht nur sämtliche Vorgänge in meinem Körper, sondern
auch meine Gehirntätigkeit registrierten und kontrollierten. Mein
Blick ruhte auf dem silbern glänzenden Netz des Mikrofons vor
meinem Mund, und ich bemühte mich, an nichts zu denken.
Eine Sekunde lang blendete mich ein helles Licht.
»Sehen Sie etwas?« fragte jemand.
»Ein starkes Licht«, erwiderte ich sofort, etwas heiser im
Hals. »Aber es ist wieder weg. Jetzt sehe ich nichts mehr.«
»Und jetzt?« fragte die gleiche Stimme. »Sprechen
Sie, teilen Sie uns jede neue Empfindung mit, alles, was sie
fühlen und denken.«
Plötzlich tauchte eine von südlicher Sonne beleuchtete
schmale Straße mit kleinen Häusern vor meinem Blick auf. Es
war unsere Straße mit dem Städtchen, in dem ich geboren
wurde. Und jetzt kam Strascho auf unser Haus zu – der gleiche
Straschimir Losew, der mir das »Haar aus Mohammeds Bart«
gebracht hatte, doch als kleiner Junge, als Schüler der
Grundschule. Ich sah ihn »mit eigenen Augen« – ihn,
die Häuser, das von der Sonne beschienene alte Kopfsteinpflaster
–, und gleichzeitig war ich mir bewußt, daß ich diese
Dinge nicht wirklich vor mir hatte, daß es sich um ein Gesicht
handelte, um eine Halluzination. Strascho kam immer näher, er
lächelte und winkte mir zu.
»Ich sehe eine Szene aus meiner Kindheit! Was bedeutet das? Ist das etwa auf dem Faden?«
»Wir erproben immer noch die Einstellung«, antwortete die
Stimme des Chefexperimentators. »Eben wecken wir mit einem
gezielten Magnetstrahl einen Teil des Gesichtsfeldes Ihres Gehirns, um
festzustellen, wie tief die Strahlen eindringen. – Was sehen Sie
jetzt?«
Doch ich sah gar nichts – ich verspürte nur einen scharfen
Geruch nach angebranntem Fleisch, und einen Augenblick lang roch es
nach Benzin.
Etwa eine Stunde verging mit allerlei derartigen Versuchen. Ich
hörte Stimmen, Musik, Stadtlärm; ich fror und schwitzte; ich
sah lange vergessene Bilder und stieg die Treppe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher